Christlicher Erziehung wird vorgeworfen, sie sei autoritär und veraltet. Insbesondere der Begriff „Züchtigung“ stößt modernen Eltern auf. Darum stellt sich mir die Frage: Was heißt denn überhaupt der Begriff „Züchtigung“ in der Bibel? Ist es ein Unterschied, ob jemand „pädagogisch handelt“ oder „züchtigt“? Eigentlich nicht, allerdings gibt es viele verbreitete Irrtümer.
Mit Züchtigung verbinden viele moderne Eltern sinnlose Strafen, erbarmungsloses Prügeln und vieles Weitere. Dabei heißt das Wort nichts anderes als „erziehen“. Wie eine Pflanze im Gewächshaus gezüchtet wird, damit sie wachsen kann, werden Kinder gehegt und gepflegt. Sie entfalten sich, während Erziehende sie schützen. Im Deutschen gibt es den Begriff „Kindergarten“, der das gleiche Sprachbild wie der Begriff „Züchten“ verwendet. Es geht um einen Raum, in dem Kinder ihre Anlagen entfalten können. Weiterlesen/Einklappen
Die Wörter „pädagogisch handeln“, „erziehen“ und „züchtigen“ bedeuten sprachlich gesehen fast dasselbe. „Pädagogisch handeln“ ist ein aus dem Griechischen abgeleitetes Fremdwort, „erziehen“ die moderne deutsche Version und „züchtigen“ ein alter Begriff. Wenn Leute die Bibel lesen und das Wort „Züchtigung“ hören, denken sie entsprechend an alte Erziehungsmethoden. Vorurteile werden aktiviert. Das Kopfkino beginnt.
Dabei betont das Wort Züchtigung eigentlich den Bildungsgedanken. Es geht um das natürliche Wachstum. Zucht gibt der zarten Pflanze einen Schutzraum der Entfaltung. Dass mit Züchtigung nun irgendwelche Methoden gleichgesetzt werden und Vorurteile verbunden sind, ist für das Image von christlicher Erziehung nicht hilfreich. Aber letztlich kann weder die christliche Erziehung, noch die Bibel etwas dafür. Klar könnte man statt „Züchtigung“ auch „Erziehung“ übersetzen. Aber wer würde einem Übersetzer vorwerfen, dass er Texte von Shakespeare mit altdeutschen Wörtern und nicht in eine moderne Jugendsprache übersetzt?
Vieles im Gesetz ist ähnlich, wie in Regelwerken anderen Nationen. Manches ist aber anders, barmherziger und besser. Um nur drei Beispiele zu nennen:
In Israel gibt es eine Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag. In anderen Nationen musste jemand um sein Leben fürchten, wenn er durch einen Unfall jemanden getötet hatte. Wer in Israel jemand versehentlich umbrachte, konnte in eine Freistadt fliehen (5. Mose 4,41). Das gab es nur in Israel. Totschlag hat Konsequenzen, aber es wird nicht als Mord betrachtet (Hinweis: In der Antike gab es noch keine Gefängnisse, daher waren Haftstrafen keine Optionen).
Eine weitere Neuerung betrifft die Sabbatruhe, von der nicht nur Menschen, sondern auch Knechte, Mägde, Ausländer und sogar Tiere profitieren sollen. Es wird kein Unterschied zwischen ihnen und ihren Herren gemacht. Jeder Mensch ist für Gott unabhängig von seiner Herkunft und seiner sozialen Stellung wertvoll und hat Rechte. Auch das ist in Gottes Gesetz exklusiv.
Auch wenn es in allen Kulturen der Zeit Todesstrafen gibt, Israel hebt sich dort ab. Anders als in anderen Völkern waren Kinder der Willkür ihren Eltern nicht machtlos ausgeliefert. Eltern hatten nicht das Recht, Kinder zu töten, sondern mussten diese in bestimmten Fällen vor Verantwortliche bringen, die aus der Distanz heraus bessere Entscheidungen treffen konnten1.
Es versteht sich von selbst, dass sich die konkreten Anweisungen auf die jeweilige Zeit beziehen, in der es keine Gefängnisse und noch nicht einmal eine öffentliche Polizeigewalt gab. Die Dunkelheit war gefährlich und wer überfallen wurde, musste selbst Freunde mobilisieren und dafür sorgen, die Täter festzunehmen und vor Gericht zu bringen. Vieles musste alleine schon deshalb strenger geregelt werden.
An der Supermarktkasse beobachtete ich eine Mutter mit ruhigen, wohlerzogenen Kindern, während meine eigenen im Einkaufswagen Chaos stifteten und eifrig versuchten, so viele Packungen wie möglich auf das Band zu legen. Bei Eiern, Joghurt und anderen empfindlichen Packungen, versuchte ich ihnen zuvorzukommen. Die Kontraste in der Erziehung waren offensichtlich. Mir war Aktivität wichtig und die Lernerfahrung meiner Kinder, auch wenn mal etwas runterfällt. Ihr waren Disziplin und Ordnung wichtiger. Und was ist jetzt richtig?
Die Bibel bietet kein ausgearbeitetes Erziehungskonzept, sondern präsentiert biografisch orientierte Glaubensvorbilder. David, als „Mann nach dem Herzen Gottes“, ist da genau der Richtige. Die Betrachtung seiner Erziehung ermöglicht interessante Einblicke in familiäre Dynamiken, regt zur Reflexion an und birgt so manche Überraschung in sich.
Katastrophale Entwicklungen David’s Kinder
David, der mit 30 Jahren König über das Reich Juda wird, gründet seine Familie in Hebron und bekommt dort insgesamt sechs Söhne und einige Töchter. Amnon, Tamar und Absalom sind drei der Kinder. Nach sieben Jahren zieht die Familie nach Jerusalem, wo David die Regentschaft über ganz Israel übernimmt. Die Söhne erhalten in ihrer Jugend einen hohen Rang und Privilegien, sogar mit dem Rang von Priestern. Informationen haben wir über folgende Söhne:
1. Ammon.In der Jerusalemer Zeit ereignen sich weitere Eroberungen, und Davids Leben scheint zunächst ruhiger zu werden. Doch die Entwicklung seiner Kinder wirft Schatten auf die Familie. Amnon, der älteste Sohn, verliebt sich in seine Halbschwester Tamar und plant ihre Vergewaltigung. Tamar, nach der Vergewaltigung gesellschaftlich isoliert, hat laut dem Gesetz die Möglichkeit, Amnon zu heiraten, aber er verweigert dies und verstößt sie1.
2. Absalom, Davids dritter Sohn und nächster in der Thronfolge2, erfährt von der Vergewaltigung und kümmert sich um Tamar. Sie wohnt in seinem Haus. Er fordert sie allerdings auch zum Schweigen auf3. Ging es ihm darum, das dunkle Familiengeheimnis zu bewahren oder tatsächlich um den Familienfrieden? Doch sein Hass gegenüber Amnon wächst, und er plant dessen Mord, der zwei Jahre später umgesetzt wird. Absalom flieht vor seinem Vater ins Ausland und kehrt später zurück, um eine Verschwörung gegen David vorzubereiten.
Nach einiger Zeit erbarmt sich David. Sein Sohn darf nach Jerusalem kommen. In den Palast darf er nicht. Absalom ergreift geschickt die Macht, indem er diejenigen abfängt, die ihre Anliegen vor das königliche Gericht zu David bringen wollen. Dabei verbreitet er Unwhahrheiten über David. Mit 50 Leibwächtern unterstreicht er seinen königlichen Status. Er zettelt einen Aufstand gegen seinen Vater an4. Dann übernimmt er erfolgreich den Thron, zwingt seinen Vater ins Exil und besiegelt seinen Triumph, indem er öffentlich mit den Nebenfrauen Davids schläft5. Durch die planvolle Beseitigung seines Bruders und eine vierjährige Vorbereitung stürzt er seinen Vater. Durch geschickte Manipulation übernimmt er schließlich die Macht und setzt sich als König ein.
3.Adonija, als nächster in der Thronfolge, wird als arrogant und ungeduldig beschrieben. Das Schicksal der anderen Kinder bleibt unklar. Diese Erzählungen verdeutlichen die dunklen Wege von Davids Nachkommen und werfen die Frage auf, welche Rolle Davids Erziehung in der Formung ihrer Persönlichkeiten inmitten gesellschaftlicher Einflüsse spielte.
Die Entwicklung der Kinder, insbesondere von Amnon und Absalom, zeigt, dass David mit schwerwiegenden familiären Herausforderungen konfrontiert ist. Die Frage nach der Rolle von Davids Erziehung in Bezug auf die Persönlichkeit seiner Kinder und anderer Umweltfaktoren bleibt zunächst offen. Die Ereignisse und die Dynamik in Davids Familie sind traurig.
David’s Erziehung
Die tragischen Entwicklungen seiner Kinder sind endgültig, und David kann nichts mehr ändern. Die Erzählungen regen zum Nachdenken über Davids Erziehung an. Vielen Lesenden scheint klar zu sein: Wenn David’s Kinder „verkorkst“ sind, muss seine Erziehung wohl irgendeine Schuld daran tragen. Anhaltspunkte David die Schuld zu geben, gibt es in der Erzählung ausreichend.
Darum gibt es viele Thesen über die Ursachen, die in zahlreichen Predigten und Vorträgen gebetsmühlenartig wiederholt werden:
These der „Wertkonservativen“: Einige kritisieren David dafür, seine Söhne unzureichend zu führen. In den biblischen Erzählungen über David offenbaren sich besorgniserregende Entwicklungen bei seinen Kindern, gepaart mit einer eher zurückhaltenden Erziehung. David greift nach der Vergewaltigung Ammons nicht ein. Einige Ausleger meinen, dass er dadurch die Selbstjustiz durch Absalom hervorgerufen habe, der das Leid seiner Schwester sah und sie schließlich rächte. Andere deuten die Aussage, dass seine Kinder den Rang von Priestern hatten und er Adonija nie zur Rechenschaft für irgendetwas zog so, dass David grundsätzlich nicht seine Kinder erzog6. Warum der Erzähler dann aber nicht sagte: „David zog seine Kinder nie zu Rechenschaft“, sondern ausdrücklich Adonija erwähnt? Jedenfalls sehen die Ausleger das Problem in einer zu permissiven Erziehung.
Richtig ist: David war auffallend passiv und hat sichtlich Fehler gemacht. Eine Verwaltigung unter den Tisch zu kehren ist nicht nur aus wertkonservativer Sicht problematisch. Da hätte er sicher energisch eingreifen müssen.
Aber: So interessant die Beobachtungen sind – sie sind nach biblischer Überlieferung nicht die Ursache der katastrophalen Entwicklung.
These der „Progressiven“: Andere Ausleger interpretieren die Geschichte ganz anders bzw. setzen an einer späteren Beobachtung an. David wird vorgeworfen, er habe seinen Kindern seine Liebe nicht gezeigt und sei nicht vergebungsbereit gewesen. Sie weisen darauf hin, dass David Absalom nach dem Mord an seinem Bruder zwar nach Jerusalem zurückkommen lässt. In den Königspalast darf sein Sohn nicht kommen. Er bleibt gegenüber seinem Sohn auf Distanz. Sein Sohn muss erst ein Feld in Brand stecken, um die Aufmerksamkeit und Zuwendung seines Vaters zu erhalten. Diese mangelnde Beziehung habe sich auf seine Kinder ausgewirkt.
Auch diese Thesen ist biblisch nicht so einfach haltbar und ganz ehrlich: Sie wirkt ein wenig so, als ob unsere postmodernen Erziehungsideale in den Text hineingelegt werden. .
Unerwartete Ursachen
Die gute Botschaft ist: Im Bibeltext wird tatsächlich explizit eine Ursache ausgeführt, die uns einen Hinweis auf die Lösung gibt. Die biblische Erzählung nennt im Text jedoch eine ganz andere Ursache der katastrophalen Entwicklungen. Es geht nicht um David’s Erziehung, sondern um sein Leben.
Ein entscheidendes Mosaikstück in der Familiengeschichte Davids fehlt in beiden Auslegungen, das oft übersehen wird. Hinter den offensichtlichen Familiendynamiken verbirgt sich nach der biblischen Erzählung eine ganz andere Ursache. Es geht um ein Ereignis, das viele Jahre zurückliegt.
Als seine Kinder noch im Kindergartenalter sind, zieht David nach Jerusalem. Dort wird sein Leben ruhiger. David selbst zieht trotz seiner Funktion als Heerführer nun nicht mehr selbst in die Schlachten. Er hat Zeit das Leben zu genießen. Das führt dazu, dass er sich nach anderen Frauen umsieht und schließlich mit einer verheirateten Frau, Bathseba, schläft.
Nachdem David den Ehebruch mit Bathseba begeht und ihren Mann ermordet, erhält er ein prophetisches Wort Nathans. Es besagt, dass sich seine Familie gegen ihn erheben wird7. Diese Verbindung zwischen Davids privaten Sünden und den Schicksalen seiner Kinder ist komplex. Und doch fällt etwas auf.
Irgendwie hängt also das, was in Davids Familie passiert, mit dem zusammen, was David einem anderen Menschen angetan hat. Die Affäre mit Bathseba, die er im Geheimen beging, wirkt sich auf die Entwicklung seiner Nachkommen aus. Was David mit einer Frau im Verborgenen tut, macht Absalom vor aller Welt. Er schläft mit den Frauen eines anderen auf dem Palastdach.
Anfragen an christliche Eltern
Unser Leben hat einen nachhaltigen Einfluss auf unsere Kinder. Die Entwicklung von David’s Kindern könnte über sein Vorbild erklärt werden. Es gibt auffällige Parallelen zwischen Davids Fehlern und den Taten seiner Kinder. Und doch steckt mehr dahinter. Unser Verhältnis mit Gott hat weitreichende und vielschichtige Auswirkungen. Letztlich wissen wir nicht einmal, ob seine Kinder von der Affäre wussten. Unser verborgenes Leben mit Gott ist wichtiger, als das richtige Erziehungshandeln. Wenn wir in unser Leben und das Innere nicht reinigen, wenn wir in unserem Herzen nicht aufräumen, wirkt sich das auf unsere Familien aus.
Eigenverantwortung der Kinder
Das prophetische Wort, das David begleitet, ist eine Seite der Medaille. Die Kinder sind sicher keine passiven Opfer, sondern selbst für das verantwortlich, was mit ihnen passiert. Sie agieren in den sich entfaltenden Ereignissen. Ebenso sind unsere Kinder keine Opfer ihrer Anlagen oder frühkindlicher Erfahrungen mit uns. Anlage und Umwelt geben ihnen Möglichkeiten und Grenzen. Dennoch ist es in ihrer Hand, was sie daraus machen. Sie sind selbst verantwortlich.
Und doch ist es aus einer anderen Perspektive eben doch unsere Verantwortung als Eltern. Wie David laden wir Schuld auf uns. Nicht nur im direkten Handeln gegenüber unseren Kindern, sondern durch unser ganzes Leben. Alles, was wir tun beeinflusst unsere Kinder. Sind wir gestresst, agieren wir entsprechend mit ihnen. Dann ist es unsere Verantwortung unser Leben so zu gestalten, dass die Frucht des Geistes, nämlich Frieden, Freude oder Geduld, wieder Raum in unserem Leben bekommt. Somit wirkt sich sogar unsere Arbeit und unsere Freizeitaktivitäten auf unsere Kinder aus. Wir sind es ihnen schuldig, unser Leben so zu gestalten, dass unsere Liebe spürbar wird.
David’s Suche nach Gott
Weder der Erzähler noch David analysieren die Situation in einer Weise, in der es in erster Linie um Schuldfragen geht. Und doch weiß David, dass er fatale Fehler gemacht hat, unter denen seine Familie leidet. Er weiß, dass sein Fehler zu den Problemen in der Familie führt. Seine Kinder sind Mörder, Vergewaltiger und trachten sogar ihm selbst nach dem Leben. David sucht Hilfe bei Gott und vertraut darauf, dass Gott ihn retten kann.
Statt auf einen Ritus zu vertrauen, wendet sich David an Gott selbst. „Mein Gott, ich suche dich mit ganzem Herzen. Meine Seele verlangt nach dir, mein ganzer Körper sehnt sich nach dir in diesem trockenen Land, wo kein Wasser zu finden ist.“ schreibt er in der Zeit, in der die Folgen seiner Schuld für seine Familie auf einem Hohepunkt angelangt sind und er in der Wüste vor seinem Sohn flieht. Davids Lieder in dieser Zeit, besonders Psalmen 3 und 63, zeigen seine tiefe Sehnsucht nach Gott und Dankbarkeit für Rettung. Die Bundeslade lässt er zurück. Religiöse Handlungen und Bräuche sind ihm zweitrangig. Er sucht Gottes Nähe, indem er sein Herz reinigt.
Die Folgen seines Handelns nimmt er aus Gottes Hand. Seinen Feinden vergibt er. Als David die Herrschaft zurückgewinnt, verzichtet er darauf, die Aufständischen zu bestrafen, und betont die Wiederherstellung der Einheit in Israel. Davids Geschichte verdeutlicht nicht nur die Konsequenzen persönlicher Sünden, sondern auch seine Hingabe an Gott und seine Bereitschaft zur Schuldeinsicht und Veränderung.
Botschaft an christliche Eltern
David gibt uns zwei Botschaften: Erstens, kümmere dich um dein Herz und deine Seele. Schaue auf dein Innerstes. Das, was in dir geschieht, hat Auswirkungen, die du nicht vorhersehen kannst. Deine Seelenhygiene hat ungeahnte Effekte auf die Entwicklung deiner Kinder. Was sind deine Motive und Antriebskräfte? Was gilt es zu reinigen? Dein Leben wird sich auswirken – nicht nur deine Erziehung.
Zweitens, bringe deine Fehler zu Gott. David muss immer wieder mit Folgen seiner fatalen Fehler leben. Er tut Buße, verzichtet auf sein Essen, fastet, trauert über die Folgen seiner Schuld und geht dann wieder vorwärts. Fehler sind passiert, aber die Zukunft liegt in Gottes Hand. Als Christen können wir die Vergangenheit loslassen, weil Jesus Christus unsere Schuld getragen hat. Wenn wir unsere Fehler bekennen dürfen wir sicher wissen, dass sie vergeben sind.
Zu guter Letzt: Die Ursachen sind komplex. Ich habe in den letzten Jahren viele Christen getroffen, die sich auf die Schulter klopfen, weil sie ihre Kinder sich Dank ihrer Erziehung so gut entwickelt haben. Die Sätze der erfolgreichen Christen waren: „Wenn ihr nur vorangeht, dann klappt das mit euren Kindern“ und „Bei einem Kind kann es mal daneben gehen, aber wenn sich vier Kinder problematisch entwickeln, muss es an der Erziehung liegen“. So einfach ist das mit Menschen leider nicht. Wir sind schwach, fehlerhaft, egoistisch und werden es nicht schaffen, unseren Kindern zu geben, was sie brauchen. Es braucht Gottes Gnade!
Eine Rückschau ist hilfreich, um die gleichen Fehler nicht zu wiederholen. Aber die Lösung der Zukunft hängt nicht daran, dass diese Fehler der Vergangenheit detailliert analysiert werden. Christus hat unsere Schuld getragen. Er ist am Kreuz gestorben, damit wir die Vergangenheit nicht festhalten, wiedergutmachen und aufarbeiten müssen. Diese Aufgabe hat Christus für uns übernommen. Genauso nimmt er unsere Zukunft in die Hand, nimmt uns an seine Hand, um uns in diese Zukunft zu führen.
Kileab wird als zweiter Sohn erwähnt, der ebenfalls in Hebron geboren ist, in der Bibel aber nicht weiter auftaucht. Es wird vermutet, dass er bereits früh verstorben ist. ↩︎
Wir wünschen uns, dass Kinder nicht Regeln befolgen, sondern sie verstehen. Eltern können sie zwingen Hausaufgaben zu machen, sie von schädlichen Freundschaften abhalten und das Smartphone abnehmen. Wenn Kinder nicht irgendwann die Bedeutung von Bildung erkennen oder wissen, dass exzessiver Medienkonsum gravierende psychische und physische Folgen nach sich zieht, nutzt es am Ende nichts.
Bei aller Erziehung geht es letztlich um Einsicht. Nur dann wird das Kind sie auch befolgen, wenn wir nicht dabei sind. Eine Strafe ohne Erklärung wird das Ziel nicht erreichen. Pädagogen weisen auf den Nutzen von logischen Folgen hin. Sie stehen in einem engen Zusammenhang mit dem unerwünschten Verhalten. Wer trödelt, verpasst die Gute-Nacht-Geschichte und wer die Zähne nicht putzt bekommt eben auch keine Süßigkeiten mehr.
Früher galt das auch unter Pädagogen als „sinnvolle“ Strafe. Heute hat der Begriff „Strafe“ für Pädagogen grundsätzlich eine negative Bedeutung bekommen und wurde inhaltlich umgedeutet. Der Begriff wird heute oft nur noch auf Erziehungsmittel angewendet, bei denen das Unangenehme keinerlei Bezug zum Fehlverhalten hat. Darum kämpfen viele Pädagogen so vehement gegen diese Strafen. Und sie verweisen darauf, dass es sinnvoller ist, wenn Kinder dem Bruder, den sie geärgert haben eine Freude machen müssen oder den zerstörten Turm wieder aufbauen sollen. Wiedergutmachung heißt das. Es regt an über den Schaden nachzudenken und zeigt, dass Folgen eigener Fehler zumindest abgemildert werden können. Wo immer möglich, würden moderne Pädagogen darum andere gegenwirkende Erziehungsmittel einsetzen, die stärker auf Einsicht zielen.
Und Gott? Er handelt durch logische Folgen lange, bevor Pädagogen den Begriff geprägt haben. Was aus pädagogischer Sicht hochmodern ist, kennen die Israeliten bereits seit Jahrhunderten. Als sie ihre eigenen Wege gehen wollen, lässt er sie laufen und ihre Erfahrungen machen.
Regeln zum Staunen
Betrachten wir zunächst Gottes Anordnungen im Alten Testament in 5. Mose 4. Gott gibt Regeln für ein geordnetes Leben im neuen Land. Stabilität und Sicherheit werden dadurch garantiert. Gott betont, dass das Gesetz zu Wohlstand und Zufriedenheit führt. Gott ist überzeugt, dass andere Völker Israels Gesetz bewundern und staunend sagen werden: „Wie klug und verständig ist das Volk, das solche Regeln hat?“ (5. Mose 4,6). Diese Regeln sind besser als alles, was andere Völker haben und schaffen Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden und Reichtum. Grund auf das Gesetz stolz zu sein, gibt es genug.
Auch wir Eltern sind hoffentlich überzeugt, dass unsere Regeln dem Kind helfen werden. Die Zahnpflege schützt vor Schmerzen, gesunde Ernährung vor Krankheit und der begrenzte Medienkonsum vor gesundheitlichen Problemen. Wir kennen die Gefahren des unregelmäßigen Schulbesuchs und darum halten wir diese Regeln hoch.
Warum genau dieses Gesetz? Weil Gott sein Volk liebt und auserwählt hat (5. Mose 4,37 sowie 5. Mose 7,8). Er möchte, dass es seinen Kinder „gut geht“ und sie „lange leben“. Das wiederholt sich in Kapitel 4-6 immerhin siebenmal.1 Liebende christliche Eltern geben ihren Kindern keine willkürlichen Anweisungen, sondern sinnvolle Regeln, damit sie stark werden ihr Leben erfolgreich bewältigen.
Eine Regel ist dabei besonders. Sie hat weniger mit Gottes Vaterschaft, als mit seiner Göttlichkeit zu tun. Er möchte, dass sein Volk ihm allein folgt. Keinen anderen Götzen. Anders als irdische Eltern, ist er der einzige Gott. Er möchte angebetet werden und erlaubt keine anderen Götter neben sich.
Handlungsfolgen
Was passiert nun, wenn sich seine Kinder nicht an die guten Regeln halten? Wie erzieht er das Volk als „Vater“? Nach 5. Mose 4 lässt er zu, das sie ihre Erfahrungen machen. Gott schickt seine Kinder in die Lehre. Wenn sie andere Götter kennenlernen wollen, dann sollen sie genau das machen. Gott unterstützt sie sogar dabei. Er sagt: „Ich werde euch überall hin zerstreuen“, mitten unter andere Völker.
Was wie eine Strafe klingt ist keine Strafe im engeren Sinn. Es geht nicht nur um das zerstreuen. „Dort werdet ihr den Göttern dienen“, heißt es in dem Text (5. Mose 4,27-28). Das ist also das Ziel. Es geht also darum, dass sie dort den anderen Göttern dienen. Das Volk kann tun, was es immer gewollt hatte: die hippen Religionen, Bräuche und exotische Götzen kennenlernen. Es wird dann sehen, ob sie helfen oder schweigen. Und dann erfahren sie auch, dass sie leiden müssen und unterdrückt werden. Aber nicht, weil Gott es ihnen reindrückt, sondern weil sie ihre Erfahrungen machen. Mehrere Generationen werden versklavt und viele Menschen kommen um. Warum? Damit das Volk tun kann, was es will, nämlich anderen Göttern dienen. Eine logische Folge ist das aus pädagogischer Sicht – oder doch eine natürliche Folge?
Es ist nicht so, dass Gott aktiv viel tun müsste. Es reicht, dass er seinen Schutz zurückzieht. Die anderen Völker holen sich die Israeliten. Gott hält sich zurück. Er überlässt sie den anderen, wie sein Volk es will.
Ich denke da an meine Kinder, wenn sie meine Hilfe mit den schulischen Aufgaben nicht akzeptieren und sich dagegen wehren. Noch kann ich sie motivieren, schieben und bewegen. Aber wie lange noch? Und wann werde ich sie dem Leben und er Schule ungeschützt ausliefern müssen? Natürlich macht es mir Sorgen, wenn die Noten schlechter werden, sie keinen Sinn im Lernen sehen und sich auch sonst nicht auf Hilfe einlassen. An einem Punkt werde ich meine Unterstützung anbieten, sie loslassen und warten.
Und das kleine Kind, das sich weigert die Zähne zu putzen? Auf Dauer kann ich es die Folgen nicht tragen lassen, selbst wenn es auf Süßigkeiten konsequent verzichtet. Die Erfahrung zu frieren, weil es sich weigert die Jacke anzuziehen, das Risiko kann ich getrost eingehen. Entweder das Kind friert und lernt oder meine Regel war ohnehin unsinnig. Die Chance, dass es lernt das Wetter, das eigene Kälteempfinden und die Folgen einzuschätzen, wäre es mir wert. Selbst wenn dem das Risiko des Schnupfens gegenübersteht. Die Abwägung müssen Eltern für sich treffen.
Gottes Erziehungshandeln
Gott hat abgewogen. Die Konsequenzen Israels sind schlimm, als es Gottes Gebote und Warnungen missachtet. Und doch muss es die Erfahrung noch einmal machen. Gerade hat das Volk 40 Jahre in der Wüste hinter sich, in denen es von Gott versorgt und liebevoll erzogen wurde2. Gott brachte ihnen bei, dass er für ihre täglichen Bedürfnisse sorgt. Sie machen eine einzigartige Erfahrung und erkennen, dass ihre „Kleidung nicht zerlumpt“ ist und ihre „Füße nicht geschwollen“ sind3. Seine Kinder sind auch ohne Land materiell gut versorgt. Das Volk wird dieses prägende Erlebnis für Generationen weitererzählen. In der Wüste lernt es, dass es mehr im Leben gibt, als Brot zu essen. Sie erfahren, dass sie Gott vertrauen können. Jahre später werden sie nach Babylon geführt. Gott hatte sie gewarnt was passiert, wenn sie seine Gebote missachten. Sie leben in der Sklaverei, werden unterdrückt und verlieren ihre Heimat. Viele verlieren sogar ihr Leben. Die Folgen sind ernst. Und trotzdem holt Gott sein Volk zurück.
Wenn Gottes Volk anderen Göttern nachläuft, wird es unter andere Völker verstreut. Das ist kein Willkürakt, um seinen Kindern wehzutun. Gott akzeptiert ihren Wunsch, den Weg anderer Götter zu erkunden. Er hilft ihnen, indem er sie dorthin schickt, wo sie diese Götter, Bräuche und Religionen noch besser kennenlernen können. Die Folgen sind katastrophal und schmerzhaft. Gott warnt seine Kinder eindrücklich. Als sie diese Warnungen ignorieren, lässt er ihren Weg mit den seinen Folgen letztlich zu.
Sicherheit gehen
Und dann kommt das Erstaunliche. Noch bevor die Folgen zu spüren sind, gibt Gott seinen Kindern ein Versprechen. Er versichert seinem Volk, dass es zu ihm zurückkommen darf, wenn es seelisch zerschlagen, verwundet und zerschmettert ist. Er ist sich sicher, dass sein Volk kommen wird. Seine Zusage ist: „Du wirst nach mir suchen und mich finden“ (5. Mose 4,29). Warum? „Weil ich gnädig bin und du zu mein Volk bist. “ (5. Mose 4,29). Wenn Israel gebrochen und zerstört am Boden liegt, weil es den Weg ohne Gott gehen wollte, ist Gott da.
Christliche Eltern sind da, wenn das Kind doch noch zur Einsicht kommt. Möglicherweise findet es seinen Weg, erkennt den Wert des Lernens und entwickelt eigene Strategien. Vielleicht kommt es und bittet mich um Hilfe. Wenn Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen, beobachten wir sie aufmerksam und bin sind da, wenn sie uns brauchen.
Manche Erfahrung ist nicht sonderlich dramatisch. Bei anderem sehen wir die tragischen Folgen und es kommt genauso, wie wir es befürchtet hatten. Wir können unsere Kinder nicht vor allem beschützen und oft ist es auch nicht gut, sie zu bewahren. Und doch werden wir den Weg beobachten, um zumindest die schlimmsten Katastrophen zu vermeiden, wenn wir das denn können. Die Zusage christlicher Eltern an ihre Kinder ist dann: „Du bist mein Kind, das mir Gott anvertraut hat. Ich bin für dich da, wenn du am Boden liegst und mich brauchst.“ Das Buch über christliche Erziehung „Wenn Kinder andere Wege gehen“ spricht genau dieses Warten christlicher Eltern an. Sie werden nicht sagen: „Das hast du nun davon“, denn das wissen die Kinder dann selbst. Sie haben durch Erfahrung gelernt.
Eigene Wege gehen lassen
Gott weiß, dass sein Volk auf seinen eigenen Wegen schmerzhafte Erfahrungen machen wird. Er könnte sie zwingen, ihm zu gehorchen. Stattdessen ist er überzeugt, dass Erfahrungen der bessere Weg sind. Für eine kurze Zeit zieht er dann seinen Schutz zurück. Er verhindert nur noch das Schlimmste, nämlich dass sie untergehen werden. Sie müssen ihre eigenen Wege gehen, um zu lernen und Einsicht zu erlangen. Die Israeliten werden überall verstreut. Aber Gott erinnert sich noch bevor sie diesen steinigen Weg gehen daran, dass er ihr Vater bleibt. Und das, obwohl das Volk nicht nur seinen eigenen Weg geht, sondern auch ihn als Person abgelehnt und gedemütigt. Er passt auf sie auf, dass sie auf ihrem Weg nicht zugrunde gehen. Als seine Kinder ihre Fehler erkennen, hilft er ihnen trotz allem immer wieder, mit den schlimmen Folgen ihres eigenen Handelns umzugehen.
Wenn du mehr über gegenwirkende Maßnahmen aus pädagogischer Sicht wissen willst, kannst du hier vorbeischauen. Und doch brauchst du Gottes Weisheit, um die Balance zwischen Schutz bieten und Raum für eigene Erfahrungen deiner Kinder zu finden. Wann kannst du musst du lenken? Wann müssen sie eigene Erfahrungen machen? Gott gibt uns Weisheit, wenn wir ihn bitten. Das hat er versprochen. Also kommen wir zu unserem Vater, wenn wir mit unseren Kindern nicht mehr weiterwissen. Und doch wird nicht alles so laufen, wie wir es uns wünschen.
Wenn du mehr darüber wissen möchtest, was das Gesetz Gottes von anderen Gesetzestexten unterscheidet, kannst du hier nachschauen: https://christliche-erziehung.net/?p=753 ↩︎
Sensible Phasen in der Entwicklung sind Lernfenster, in denen Kinder besonders empfänglich für das Lernen in einem bestimmten Bereich sind. Werden diese Phasen genutzt, fällt es ihnen besonders leicht, sich etwas anzueignen.
Grundlage dieser sensiblen Phasen ist die Gehirnentwicklung. In verschiedenen Phasen bilden sich Synapsen in entsprechenden Gehirnarealen besonders leicht und schnell. Verpassen Kinder diese Lernphase verpasst, fällt das Lernen schwerer.
Ein Kind schnappt in wenigen Lebensmonaten zahlreiche Wörter auf. Nach dem zehnten Lebensjahr müssen Kinder Vokabeln mühsam lernen. Wenn Kinder dann eine neue Fremdsprache erlernen, werden sie diese mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Leben lang nur mit einem Akzent sprechen. Für die motorische Entwicklung geht die sensible Phase bis zum vierten Lebensjahr. Ist das Kind in seinen Bewegungen bis dahin eingeschränkt, werden die Abläufe holprig und ungeschickt sein. Da hilft auch das Vorschulturnen nicht mehr viel.
Schlussfolgerungen
Und welche Schlussfolgerungen lassen sich nun für Eltern daraus ziehen? Der Englischkurs im Kindergarten oder die Sportschule für zweijährige? Grade das sind nicht die Lösungen. Die Einbettung in Sprache, viele Gespräche, Vorlesen und Zuhören im Alltag sind deutlich besser, als einzelne Worte zu trainieren. In der Fachsprache spricht man von einem Sprachbad. Das Wohnzimmer zu einer Bewegungslandschaft mit Stufen, Podesten, Matratzen und Schaukelelementen umzubauen oder viel im Garten zu spielen sind effektiver als das Kinderturnen, in dem der Purzelbaum in Perfektion eingeübt wird. Es geht also um viel Anregung in dem sensiblen Bereich, die nicht zu eng geführt wird. Oft passiert das durch die Gestaltung des Raumes oder die Bereitstellung von Material, aber auch soziale Beziehungen sind wichtig.
Leider sind da die Ängste von Eltern grade bei der Bewegung manchmal groß, wenn es sich das erste Mal im Krabbeln oder Laufen fortbewegt. Das Kind könnte sich an der einen Stufe schließlich den Kopf anschlagen oder vom Kletterelement auf dem Spielplatz ins Gras fallen. Viele Eltern warnen ihr Kind darum schnell, reden ihm ein, dass es noch zu klein sei und fühlen sich bestätigt, wenn das Kleinkind heruntergefallen ist – anstatt sich über den Versuch zu freuen und das Kind zu bestätigen, dass fallen nicht schlimm ist.
Das Fatale daran ist: Wenn das Kind dann im Kindergartenalter ist, ermutigen Eltern ihre Kinder oft, es doch zu probieren. Aber zum einen ist die sensible Phase dann weitgehend abgeschlossen. Kinder werden zwar auch dann noch viele neue Bewegungsformen lernen, aber sie bleiben oft holprig. Zum anderen haben sie die Vorsicht entweder verinnerlicht und unterschätzen sich, oder sie haben gemerkt, dass sie viel mehr können als die Eltern ihnen zutrauen und überschätzen sich. Ihre natürlichen Grenzen konnten sie nicht kennenlernen.
In Bezug auf Strafen existieren viele kontroverse und emotional aufgeladene Standpunkte. Einige behaupten, dass Erziehung ohne Strafe nicht möglich ist, während andere die Abschaffung von Strafen fordern. Auch christliche Eltern stehen vor dieser Diskussion.
Vor der Lösung dieses Konflikts ist es von grundlegender Bedeutung, zu klären, was genau unter dem Begriff „Strafe“ verstanden wird. Der behavioristische Psychologe B. F. Skinner definiert Strafe als jede schmerzhafte Lernerfahrung, die dazu führt, dass ein bestimmtes Verhalten seltener auftritt. Dies schließt nicht nur erzieherische Maßnahmen durch Eltern, Erzieherinnen oder pädagogische Fachkräfte ein, sondern bezieht auch natürliche Konsequenzen mit ein. Ein Beispiel hierfür wäre die Erfahrung eines Kindes, das stürzt, weil es über eine nasse Oberfläche läuft.
In der jüngsten pädagogischen Entwicklung hat sich der Begriff „Strafe“ in gewisser Weise gewandelt. Es wird nun zwischen Begriffen wie „Wiedergutmachung“, „logische Folge“ und „Strafe“ unterschieden. Im engeren Sinne wird „Strafe“ nun als eine erzieherische Maßnahme verstanden, die nicht mit dem Fehlverhalten des Kindes in Zusammenhang steht. Heutzutage würden viele Pädagogen viele gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen schlichtweg nicht mehr als „Strafe“ bezeichnen, die sie aber dennoch akzeptieren. Um einige Beispiele zu nennen:
Wiedergutmachung bedeutet, dass ein Kind dazu angehalten wird, Verantwortung für die Folgen seines Fehlverhaltens zu übernehmen. Wenn es beispielsweise den Turm eines anderen Kindes aus Bauklötzen zerstört hat, wird es angeleitet, den Turm so gut wie möglich wieder aufzubauen. Wiedergutmachung kann sich auf das Reparieren von Schäden, das Anbieten von Ersatz, das Spendieren von Zeit und Trost oder das Malen eines Entschuldigungsbildes beziehen, um dem verletzten Kind Freude zu bereiten. Wenn Wiedergutmachung als Erziehungsinstrument genutzt wird, lernt das Kind nicht nur, welche Auswirkungen sein eigenes Fehlverhalten auf andere hat, sondern auch, wie es Schäden wiedergutmachen kann.
Natürliche Konsequenzen treten ohne das Eingreifen der Erziehungspersonen auf. Ein Beispiel wäre, wenn das Kind über einen nassen Boden rennt und dabei stürzt. Solche logischen Konsequenzen ergeben sich aus dem Verhalten des Kindes. Logische Folgen sind hiervon abgeleitet mit dem Unterschied, dass die von Erziehenden arrangiert sind. Ein Beispiel ist, wenn das Kind sich nicht an die vereinbarte Uhrzeit hält und zu spät nach Hause kommt. In diesem Fall wird die geplante Vorlesezeit vor dem Schlafengehen entsprechend gekürzt. Diese Konsequenzen sind direkt auf das Fehlverhalten bezogen und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind die Auswirkungen seines eigenen Verhaltens erkennt.
Im traditionellen Verständnis wird alles, was Verhalten sanktioniert, als Strafe betrachtet. Logische Konsequenzen und Wiedergutmachung gelten als „gute“ Formen der Bestrafung, da sie erzieherische Maßnahmen sind, die in einem klaren Zusammenhang mit dem Fehlverhalten stehen. Sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind Einsicht zeigt und belasten die Beziehung zu den Erziehungsberechtigten weniger stark. In einem engeren Verständnis wird der Begriff Strafe auf erzieherische Maßnahmen beschränkt, bei denen die Konsequenzen in keinerlei Beziehung zum Fehlverhalten des Kindes stehen.
Klar ist: Erziehung erfordert Maßnahmen. Sie hat klare Ziele, beeinflusst das Verhalten positiv und fördert die Entwicklung. Dazu gehören auch disziplinierende Maßnahmen. Reflektierte christliche Eltern, genauso wie andere Erzieherinnen und pädagogische Fachkräfte, müssen sorgfältig abwägen: Welche Maßnahmen fördern Einsicht? Wie kann vermieden werden, dass das Kind die Maßnahme als willkürlich empfindet? Wie kann die Beziehung am wenigsten belastet werden?
Christlichen Eltern werden nicht immer ideale und logische Konsequenzen einfallen. Und och ist es wichtig, über die verschiedenen Möglichkeiten nachzudenken und in der Verantwortung vor Gott zu handeln. Wir können mit Gott in den Dialog treten. Und dann gilt es, die bestmögliche Option aus den möglichen Alternativen zu wählen. Am Ende sollte stets die beste Lösung gefunden werden.
Um dieses Abwägen praktisch zu machen: Ein Fernsehverbot als Reaktion auf respektloses Verhalten gegenüber einem Erwachsenen ist weniger sinnvoll als ein ausführliches Gespräch mit dem Kind, um das Verhalten zu besprechen. Ein Abschluss könnte in Form eines Entschuldigungsbriefs erfolgen. Ein anderes Beispiel: Wenn ein Kind hartnäckig darauf besteht, sein Zimmer nicht aufzuräumen, könnte die Mutter dies vorübergehend übernehmen und die Spielsachen für einige Tage in einer verschwindenden Kiste aufbewahren. Der Zusammenhang zwischen dem Verhalten und dieser Maßnahme ist nachvollziehbar. Und doch wird die Einsicht bei allem Bemühen oft nicht erfolgen.
Ob alle unangenehmen Konsequenzen – selbst diejenigen, für die Erziehende keine Schuld tragen – im herkömmlichen Sinne als Strafen bezeichnet werden, oder ob Strafen in einem engeren Sinne verstanden werden, um sie von sinnvolleren Maßnahmen wie Wiedergutmachung oder logischen Konsequenzen zu unterscheiden, ist letztlich eine Frage der Definition.
Auf dieser Seite gibt es die Kurzversion. Wer es genauer wissen will, schaut hier oder unter der Rubrik „Themen“ auf dieser Homepage nach.
Christliche Erziehung wird oft mit körperlicher Züchtigung assoziiert, was wiederum zu zahlreichen Vorbehalten führt. Dabei bedeutet das Wort nichts anderes, als „Erziehung“. Im Deutschen züchten wir Pflanzen oder lassen sie verwildern. Fröbel hat den Begriff „Kindergarten“ geprägt. Hier dürfen Kinder wachsen und einfach „sein“. Der Begriff hat also eine metaphorische Bedeutung. Es ist das Bild von Kindern als kleine Pflanzen, die behütet, gepflegt und aufgezogen werden müssen.
Der Begriff „Pädagogik“ leitet sich übrigens vom gleichen Wort ab, das in den Sprüchen Salomos verwendet wird. Dort und an anderen biblischen Stellen ist – in der griechischen Version – von „paideo“ (oder auch παιδεύειν bzw. „paideuein“) die Sprache. Davon leitet sich Pädagogik ab, es kann mit Erziehung oder Altdeutsch eben mit Zucht übersetzt werden. Wer sein Kind liebt, kümmert sich darum oder „Wer sein Kind liebt, erzieht es.“
Nun wird christlicher Erziehung vorgeworfen, sie „züchtige“ – also „erziehe“. Dahinter steckt das Missverständnis, dass mit dem Wort bestimmte Erziehungsmethoden verbunden sind. Da das Wort „züchtigt“ ein altdeutsches Wort ist, wird es eben fälschlicherweise mit alten Methoden in Verbindung gebracht. Dafür kann weder Salomo noch der Bibeltext etwas. Und auch Luther, der statt „Erziehung“ von „Zucht“ spricht, kann nichts dafür. Genauso wenig würde man einem Übersetzer von Shakespeare vorwerfen, dass er die alte poetische Sprache beibehält.
Für Pädagogik gehört „Erziehung“ dazu. Damit beschäftigt sie sich in ihrem Kern. „Zucht“ meint nichts anderes als „Erziehung“. Der Text fordert auf, diese Erziehungsaufgabe ernst zu nehmen, Ziele zu setzen und anzustreben und nach geeigneten Mitteln zu suchen. Das sind in erster Linie Maßnahmen, die Einsicht und Verständnis erzeugen. Eine Einführung in dieses Thema wird hier gegeben.
Heute sind sich Pädagogen weitgehend einig: Vernachlässigung führt zu Hospitalismus. Die Entwicklung von Kindern ohne Liebe und Erziehung ist in hohem Maß beeinträchtigt. Es gibt immer wieder Geschichten von „Wolfskindern“ oder „wilden Kindern“, die stark vernachlässigt wurden, weil sie keine Erziehung erfahren haben. Moderne Untersuchungen wie die von René Spitz, John Bowlby oder John Harlow kommen zu ähnlichen Ergebnissen.
Salomo hat recht, wenn er sagt, dass Kinder Fürsorge Erwachsener benötigen, die sich um sie kümmern, die hegen und pflegen, leiten und erziehen (siehe Anthropologische Grundlagen – Pädagogische Aspekte). Ohne Erziehung bleibt die Entwicklung des Kindes auf der Strecke.
Sind religiöse Erziehung, biblische Erziehung und christliche Erziehung das Gleiche? Oder gibt es Unterschiede? Es ist wichtig zu verstehen, wie sich religiöse Erziehung, biblische Erziehung und christliche Erziehung voneinander unterscheiden, um einen befreienden christlichen Glauben im Sinne von Jesus Christus zu vermitteln.
Religiöse Erziehung bezieht sich auf die Vermittlung moralischer und ethischer Werte auf Grundlage einer religiösen, z. B. auch einer christlichen, Überzeugung.
Biblische Erziehung hingegen befasst sich mit dem Wissen über biblische Geschichten und Lehren, sowie dem Verständnis biblischer Aussagen.
Moral, Ethik und Bibelkenntnis sind zweifellos wichtige Bestandteile der christlichen Erziehung, aber sie sind nicht ihr Hauptfokus. Wer sie zum zentralen Punkt macht, verfehlt nicht nur das eigentliche Ziel, sondern schadet möglicherweise sogar der christlichen Erziehung. Ein christlicher Erzieher zielt nicht hauptsächlich darauf ab, als Moralapostel traditionelle Werte zu lehren, sondern das Evangelium zu verkünden, das von Jesus Christus handelt.
Obwohl diese Aspekte nützlich sein können, ist christliche Erziehung in meinen Augen gescheitert, wenn ein Kind Jesus Christus nicht zumindest in einer beobachtenden Rolle kennengelernt hat. Es stellt sich also die Frage, wie diese Aspekte dienend dabei helfen, Jesus Christus kennenzulernen und wo sie sich auf ungesunde Weise verselbständigen. Der Erfolg der christlichen Erziehung kann jedenfalls nicht daran gemessen werden, ob das Kind diese Werte und Moral anerkennt oder biblische Geschichten auswendig aufsagen kann.
Aspekte der religiösen oder biblischen Erziehung können Ausgangspunkt für weitere Entdeckungen oder unterstützende Maßnahmen auf dem Weg zu Christus sein. Die Bibelerkundung ist ein wichtiger Teil davon, da sie uns ermöglicht, Jesus Christus kennenzulernen. Auch Werteerziehung ist ein Bestandteil, aber beides ist nicht der Kern christlicher Erziehung. Beides ist völlig bedeutungslos, wenn es nicht in einer Verbindung mit Jesus Christus steht und in ihm seinen Höhepunkt findet.
Christliche Erziehung ist mehr als nur das Vermitteln von religiösen oder biblischen Lehren. Im Zentrum der christlichen Erziehung steht die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus Christus.
Mehr noch als jeder irdische Vater wartet der himmlische Vater auf seine Kinder. Stelle Dir einen Großvater vor, der auf den Besuch seiner Enkel wartet. Seine Kinder sind weit weg. Sie haben selbst Familien gegründet und können nur selten zu Besuch kommen. Die Enkel wachsen in der Ferne auf. Der Großvater kennt sie von Videoanrufen und Erzählungen der Eltern. Nach langer Zeit ist es so weit. Endlich kommen seine Enkelkinder zu ihm. Die Reise wurde monatelang vorbereitet, der Flug ist gebucht. Von den Großeltern werden Projekte und Ausflüge geplant, Essen und Süßigkeiten eingekauft und der Schlafplatz für das Enkelkind vorbereitet. Alles muss perfekt sein für diesen Augenblick. Das Willkommensschild und Luftballons werden aufgehängt. Die Vorfreude des Großvaters ist riesengroß.
Im Johannesevangelium wird genau dieses Bild vom himmlischen Vater verwendet, der auf seine Kinder wartet. „Es gibt viele Wohnungen im Haus meines Vaters […]“ Johannes erinnert sich an die Jesusworte, die schon so lange zurückliegen. „Ich gehe voraus, um euch einen Platz vorzubereiten.“ – Diese Sätze hat er verinnerlicht. „Wenn dann alles bereit ist, werde ich kommen und euch holen, damit ihr immer bei mir seid, dort, wo ich bin.“ Wer Gottes Kind ist, darf sich auf das Treffen mit seinem himmlischen Vater freuen. Johannes ist Gottes Kind. Nun ist er alt, es wird nicht mehr lange dauern, bis er seinen Vater sieht.
In der Offenbarung des Johannes wird noch ein weiteres Bild verwendet. Es ist das einer Hochzeit, bei der Jesus der Bräutigam ist. Die Wohnung ist eingerichtet, die Flitterwochen sind geplant und die Feier ist nach sämtlichen Wünschen der Zukünftigen organisiert. Der Bräutigam wartet. Während der Bräutigam wartet, bereitet sich die Braut vor. Es ist alles bereit. Der Tag der Hochzeit ist gekommen. Die Braut macht sich zurecht. Das Kleid, die Frisur, das Make-up – alles muss stimmen. Dann kommt der triumphale Einzug in die Kapelle. Bei Johannes ist das nicht die Kirche, sondern eine „heilige Stadt“, ein „neues Jerusalem“, in das die Gotteskinder einziehen. Genauer genommen sind die Gotteskinder da und Gott zieht ein. Er ist endlich im Mittelpunkt der Stadt. Die Gotteskinder bereiten sich auf die Begegnung vor. Es wird der größte Tag ihres Lebens werden.
„Ich habe die heilige Stadt, das neue Jerusalem, gesehen, wie sie von Gott aus dem Himmel herabkam, schön gemacht wie eine geschmückte Braut, die auf ihren Bräutigam wartet.“
Offenbarung 21,2
Es gibt vieles, was wir über den Himmel noch nicht wissen. Was wir wissen, ist, dass es ein Ort der Schönheit ist, an dem unsere tiefsten Bedürfnisse gestillt werden. Der Himmel ist ein Ort der Freude und der Liebe, den wir uns kaum erträumen können. Welch ein Tag wird das sein, an dem Christen ihren Herrn treffen werden?
Vorstellungen vom Himmel
Leider ist das Wort „Himmel“ mit vielen falschen Vorstellungen behaftet. Die Vorstellungen reichen von Engeln, die ständig Harfe spielen, bis hin zu einem endlos langen und vor allem langweiligen Gottesdienst, der kein Ende findet. Menschen sitzen mit Heiligenschein auf ihren weißen Wolken und schauen dabei zu oder sie schweben orientierungslos ohne Körper herum. Kein Wunder, dass viele diesen Ort gar nicht erst kennenlernen wollen. Das Bild, das Johannes skizziert, ist ein anderes. Es ist ein „neuer“ Himmel und eine „neue“ Erde. Die Welt, wie wir sie kennen, ist nicht mehr da. Aber es ist eben doch etwas Greifbares da.
Vieles in den folgenden Beschreibungen erinnert an das Paradies, den Garten Eden – einen materillen Ort, an dem Menschen mit materiellen Körpern leben. Menschen gehen in der Kühle des Tages mit ihrem Gott spazieren und tauschen sich mit ihm aus. Sie gehen aber auch einer erfüllen-den Arbeit nach, pflegen Beziehungen untereinander und unterhalten sich angeregt. Vieles im „Himmel“ ähnelt dem Leben auf der Erde – nur ohne Enttäuschung, Missverständnisse, Tränen oder Leid.
„Gott wird alle Tränen von ihren Augen wegwischen, und der Tod wird nicht mehr existieren. Es wird kein Leid, kein Geschrei und keinen Schmerz mehr geben. Das Alte ist vorbei. Und der, der auf dem Thron saß, sagte: Siehe her, ich erschaffe alles neu!“
Offenbarung 21,4-5
Der Mensch ist ursprünglich nicht als schwebender Geist geschaffen, sondern für ein Leben im Paradies – einen Garten, der die Sinne berührt, Sicherheit gibt und zur Aktivität anregt. Dieser Garten wird von ihm gestaltet und gepflegt. In dieser neuen Welt gibt es Menschen mit echten Körpern, mit echten Beziehungen und mit echten Erfahrungen. Sie werden in einer Welt leben, die für sie gemacht ist. Wenn schon die irdische Welt so schön sein kann, wieviel schöner wird die neue Welt Gottes sein?
Glanz der neuen Stadt
In zahlreichen Bildern beschreibt Johannes den Glanz der Stadt. Die Bilder reichen von Edelsteinarten über Perlen bis hin zu Gold, das als Baumaterial verwendet wird. Alles ist kostbar. Mit wertvollem Material wird verschwenderisch umgegangen. Es ist in reichlichem Umfang vorhanden. Neben den glanzvollen Bildern ist auch von Naturelementen die Rede. Es gibt lebens-spendende Bäume und lebendiges Wasser.
Die Planung der Stadt ist perfekt. Während „moderne“ Städte der Antike quadratisch geplant sind, ist diese Stadt sogar in drei Dimensionen quadratisch. Ihre Ausmaße reichen in Breite, Länge und Höhe jeweils 12.000 Stadien – so weit, wie die Strecke zwischen London und New York. Es ist Platz für alle da. Demgegenüber wirkt die Stadtmauer mit 144 Ellen, also 65 Metern, klein. Sie ist als Schutz nicht brauchbar. Lediglich als Abgrenzung kann sie genutzt werden. Offensichtlich gibt es keine Bedrohung. Niemand in dieser Stadt hat Angst.
Es ist unübersehbar, dass es in der Stadt keine Gefahr gibt. Das wird z. B. deutlich bei der Beschreibung, dass es in der Stadt „kein Meer“ gäbe. Das düstere Meer, wie es von Menschen in der Antike wahrgenommen wurde, das Schiffe und Menschen verschluckt und in dem gefährliche Wesen wohnen, hat in der neuen Welt keinen Platz. Während jede befestigte Stadt maximal vier – meist eher nur zwei oder drei – Stadttore hatte, die allesamt sehr sorgsam bewacht wurden, besitzt diese Stadt gleich zwölf Tore. Eine solche Anzahl an Toren schwächt die Verteidigung – die Soldaten müssten sich aufteilen. Noch dazu stehen die Tore Tag und Nacht offen. Keine Stadt zur Zeit des Johannes hätte sich erlaubt, Tore auch nachts geöffnet zu lassen. Menschen, die den Bewohnern nicht bekannt waren, mussten vor Sonnenuntergang die Stadtgrenzen verlassen und außerhalb der Stadtmauer bleiben. Anschließend wurden die Tore geschlossen. Fremde galten als Gefahr. Nicht so in dieser neuen Stadt. Hier sind solche Sicherheitsmaßnahmen nicht notwendig.
„Und ihre Tore werden tagsüber stets offen sein, denn es wird niemals Nacht werden. Alle Nationen werden ihre Pracht und ihren Glanz in diese Stadt bringen.“
Offenbarung 21,25f.
Die große Offenheit ist für die Stadt keine Gefahr, sondern bereichert sie. Während nach Jerusalem und in den Tempel vor allem Juden strömten, kommen in diese Stadt Menschen aus aller Welt. Sie alle bringen etwas mit, das die Stadt noch glanzvoller erscheinen lässt. Auf den Toren der Stadt stehen Namen – der Stämme Israels und der Apostel. Das zeigt die Kontinuität Gottes, der gestern, heute und morgen derselbe ist. Die Wege in die Stadt sind nicht beliebig, aber vielfältig. Immerhin sind es zwölf Tore. Während Christen oft sehr enge Vorstellungen haben, gibt es doch zahlreiche Zugänge zur Stadt des einen Gottes.
Zentrum der neuen Stadt
Schließlich gibt es in dieser Stadt einen prächtigen Stadtkern. Wie auch heute Städte mit ihrem Kern verbunden werden, ist es auch diese Stadt. Im Zentrum von London steht der Big Ben. Im Zentrum von München liegt der Marienplatz und in Hamburg sind es die Alster und das Rathaus. Im Zentrum der Stadt ist die „Residenz Gottes“ zu finden! Der größte Lohn der Bewohner ist es, Gott selbst zu begegnen. Während Gott für die Menschen zu Lebzeiten wie durch einen Spiegel sicht-bar ist, wird dort sein Gesicht klar erkennbar. Ein Spiegel in der Antike ist nichts weiter als eine Metallplatte – aus Kupfer, Silber oder Gold. Die Oberfläche muss ständig poliert werden, damit überhaupt etwas sichtbar ist. Unverzerrt ist das Spiegelbild eigentlich nie. Genauso ist unser Bild von Gott – völlig verzerrt. Wir können nur vage erahnen, wer und wie Gott ist. In der „neuen Stadt“ ist Gott ein König, der besucht und aus der Nähe betrachtet werden kann. Seine Residenz ist immer geöffnet und Besucher sind jederzeit herzlich willkommen. Es muss kein Ticket gebucht werden. Wer ihn sehen möchte, geht hin.
Zentrum der neuen Stadt ist diese Residenz, der Thron Gottes. Darauf sitzt derjenige, der von sich sagt: „Es ist vollendet! […] Jedem, der durstig ist, werde ich aus der Quelle, die das Wasser des Lebens enthält, umsonst zu trinken geben!“ Das alles sind Sätze, die Jesus bereits zu Lebzeiten gesagt hat. Nun ist er Zentrum dieser Stadt. Der Stadt der „Seinen“. Die Gegenwart Gottes er-strahlt in der Stadt, sodass sie „keine Sonne und keinen Mond“ braucht, sondern von der Herrlichkeit des Lammes erleuchtet wird. Die Gegenwart Gottes ist überall, sodass kein Tempel mehr nötig ist. Gott selbst ist dort. Er selbst ist alles, was die Menschen dort brauchen – Licht, Wärme und Wasser. Wer ihm begegnet, wird von seiner Gegenwart geprägt und verändert. Er trägt die Herrlichkeit weiter. Der Glanz dieses Königs erhellt die ganze Stadt. Vom Thron fließt ein Strom des Lebens hinaus.
Sprudelnde Quelle
Wasser ist kostbar in der Wüste, zu der ein großer Teil Israels gehört. Wer heutzutage nur einen Wasserhahn aufdrehen muss und einen fließen-den Wasserstrahl sieht, hat vermutlich keine Vorstellung davon, was Wasser im Orient bedeutete und wie wichtig es dort war. Dass Jesus das Wasser des Lebens ist, hat Johannes schon früh beeindruckt. An verschiedenen Stellen seines Evangeliums hält er diesen Gedanken fest. Das beginnt bei der Begegnung mit der Frau am Brunnen, zu der Jesus sagt: „Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, der wird niemals mehr Durst haben. Das Wasser, das ich ihm gebe, wird in ihm zu einer nie versiegenden Quelle, die unaufhörlich bis ins ewige Leben fließt.“ Nach diesem Wasser streckt sich die Frau – und auch Johannes – aus. Nun sieht Johannes das Bild der neuen Stadt. Dieses Bild kennt Johannes bereits. Hesekiel beschreibt im Alten Testament, wie das Wasser des Lebens vom Altar des Tempels in alle Richtungen ausfließt. Eigentlich ist es Blut, das vom Altar herunterfließt. Bei Hesekiel wird daraus kristall-klares Wasser. Es ist ein Fluss, ein Strom, der erst knöcheltief ist, dann bis zu den Knien reicht und schließlich so tief wird, dass er nicht überquerbar ist. An den Seiten dieses Stroms wachsen Bäume, die jeden Monat neue Früchte tragen. Die Früchte dienen nicht nur als Nahrung, sondern der Heilung. Im Bild von Johannes ist es nicht der Tempel, wohl aber der Thron, auf dem das geschlachtetes Lamm sitzt und regiert. Sein Blut hat die Kraft, zu reinigen. Das Blut wird zu kristallklarem Wasser. Es heilt kranke Herzen. Es hat die Kraft, Leben zu spenden, und ist schließlich Lebensquelle einer ganzen Stadt. Der Strom ist so stark, dass ihn nichts aufhalten kann. Das heilende Wasser hat seinen Ursprung am Thron Gottes und des Lammes. Am Kreuz beginnt alles. Brunnen- oder Leitungswasser reinigt Gegenstände von außen. Der Strom der Heilung dringt tiefer. Er erreicht das Herz des Menschen, in dem es kein Leben mehr gibt. Der Tod von Jesus wird zur Quelle der Heilung, eines ewigen Lebens. Diesen Strom des Lebens kann niemand aufhalten. Verstärkt wird das Bild des Stromes der Heilung durch das Bild des „Baumes des Lebens“, der kein verbotener Baum ist. Er steht mitten in der Stadt. Dort spendet er Leben und Heilung. Monatlich sind Früchte zu sehen. Die Früchte lassen Menschen heil werden. In ihnen entfaltet sich ebenfalls eine Frucht – die Frucht des Geistes.
Großes Fest
Für die meisten Paare ist ihre Hochzeit ein Höhe-punkt. Bei unserer Hochzeit waren mehr als 200 Gäste eingeladen. Alles wurde vorbereitet. Die Tische waren dekoriert, das Brautkleid bestellt und angepasst. An dem großen Tag durfte nichts schiefgehen. Morgens stand das Frisieren an. Ein Auto war gemietet und ein Fotograf stand bereit. Schließlich kommt der Moment. Die festliche Musik ertönt und Braut und Bräutigam gehen zwischen zwei Reihen von Menschen hindurch, deren Augen auf das Hochzeitspaar gerichtet sind. Jetzt ist es so weit. Es ist ein großes Fest, wenn Menschen in die „neue Stadt“ einziehen, um dort eine ewige Wohnung zu beziehen. Im Vaterunser beten Christen: „Dein Reich komme“, und haben dabei nicht nur die „Erde“, sondern auch den „Himmel“ im Blick. Ist das wirklich unser persönliches Gebet? Es ist das Gebet, das Jesus seine Nachfolger lehrt. Welche Vorstellung wir vom Himmel haben, entscheidet maßgeblich darüber, ob dieser Wunsch tatsächlich der eigene Wunsch ist. Wer Jesus nicht kennt, wird sich weder auf Gottes Reich auf dieser Erde freuen noch auf den „Himmel“. Für ihn ist der Tod vielleicht ein „dunkles Loch“, das ihn verschlingen wird, oder etwas, bei dem sich die eigene Existenz in etwas diffusem Größerem auflöst. Welche Vorstellungen vom Himmel haben uns geprägt? Und was be-deuten die Bilder des „wartenden Vaters“ oder das des „Bräutigams“ für mich persönlich? Jesus ist vorangegangen – so beschreibt es Johannes –, um den Kindern Gottes eine Wohnung in der neuen, ewigen Stadt vorzubereiten. „Es gibt viele Wohnungen im Haus meines Vaters, und ich gehe voraus, um euch einen Platz vorzu-bereiten“, so erinnert sich Johannes an die Jesusworte, die ihm überliefert sind oder die er selbst gehört hat. Nicht jeder ist ein Kind Gottes, aber jeder hat das „Recht“, Gottes Kind zu sein.
„Denjenigen, die ihn aufnahmen, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden. Denen, die an seinen Namen glauben.“ Johannes 1,12
Das Leben als Königskind verändert alles. Als Königskind kenne ich mein Erbe. Das alleine verändert bereits das Denken, das Gefühl und das Handeln. Vor allem gibt es einen tiefen inneren Frieden und eine Freude darauf, Gott in seiner Herrlichkeit zu sehen. Die Gemeinschaft mit Gott beginnt hier auf der Erde und findet ihren krönenden Abschluss in der Ewigkeit. Der heilende Strom des Lebens fließt nicht erst irgendwann in der Zukunft. Er strömt schon heute vom Thron des Lammes aus und möchte die Herzen von Königskindern fluten. Er fließt in die Herzen hinein, die sich ihm öffnen. Öffne ich mich diesem Strom? Wie lasse ich das Wasser des Lebens in mich hineinströmen? Am Ende steht das Erkennen Gottes von Angesicht zu Angesicht. Das Leben in einer Stadt, in der die Residenz des Königs immer offen steht. Wie wird das sein? Für Johannes und all die an-deren Jünger ist dieser Zeitpunkt gekommen. Sie dürfen sehen, was sie zu Lebzeiten geglaubt haben. Sie sind gestorben und stehen nun vor Gottes Thron. Wir haben Angehörige verloren, die das geglaubt haben oder auch nicht. Sie haben sich auf Jesus verlassen oder nicht. Das Leben ist kurz. Ich bin 45 Jahre alt. Statistisch gesehen habe ich die Hälfte meiner Lebenszeit letztes Jahr überschritten. Die zweite Halbzeit läuft. Es ist höchste Zeit, die Hochzeit im Blick zu haben. Es ist Zeit, die Reise zu planen und Vorbereitungen für die Begegnung mit dem Vater zu treffen. Der Vater im Himmel ist bereits dabei und wartet. Er wartet auf dich. Er wartet auf mich. Er wartet auf seine Kinder. Auf die Königskinder.