5. Mose 4
Wir wünschen uns, dass Kinder nicht Regeln befolgen, sondern sie verstehen. Eltern können sie zwingen Hausaufgaben zu machen, sie von schädlichen Freundschaften abhalten und das Smartphone abnehmen. Wenn Kinder nicht irgendwann die Bedeutung von Bildung erkennen oder wissen, dass exzessiver Medienkonsum gravierende psychische und physische Folgen nach sich zieht, nutzt es am Ende nichts.
Bei aller Erziehung geht es letztlich um Einsicht. Nur dann wird das Kind sie auch befolgen, wenn wir nicht dabei sind. Eine Strafe ohne Erklärung wird das Ziel nicht erreichen. Pädagogen weisen auf den Nutzen von logischen Folgen hin. Sie stehen in einem engen Zusammenhang mit dem unerwünschten Verhalten. Wer trödelt, verpasst die Gute-Nacht-Geschichte und wer die Zähne nicht putzt bekommt eben auch keine Süßigkeiten mehr.
Früher galt das auch unter Pädagogen als „sinnvolle“ Strafe. Heute hat der Begriff „Strafe“ für Pädagogen grundsätzlich eine negative Bedeutung bekommen und wurde inhaltlich umgedeutet. Der Begriff wird heute oft nur noch auf Erziehungsmittel angewendet, bei denen das Unangenehme keinerlei Bezug zum Fehlverhalten hat. Darum kämpfen viele Pädagogen so vehement gegen diese Strafen. Und sie verweisen darauf, dass es sinnvoller ist, wenn Kinder dem Bruder, den sie geärgert haben eine Freude machen müssen oder den zerstörten Turm wieder aufbauen sollen. Wiedergutmachung heißt das. Es regt an über den Schaden nachzudenken und zeigt, dass Folgen eigener Fehler zumindest abgemildert werden können. Wo immer möglich, würden moderne Pädagogen darum andere gegenwirkende Erziehungsmittel einsetzen, die stärker auf Einsicht zielen.
Und Gott? Er handelt durch logische Folgen lange, bevor Pädagogen den Begriff geprägt haben. Was aus pädagogischer Sicht hochmodern ist, kennen die Israeliten bereits seit Jahrhunderten. Als sie ihre eigenen Wege gehen wollen, lässt er sie laufen und ihre Erfahrungen machen.
Regeln zum Staunen
Betrachten wir zunächst Gottes Anordnungen im Alten Testament in 5. Mose 4. Gott gibt Regeln für ein geordnetes Leben im neuen Land. Stabilität und Sicherheit werden dadurch garantiert. Gott betont, dass das Gesetz zu Wohlstand und Zufriedenheit führt. Gott ist überzeugt, dass andere Völker Israels Gesetz bewundern und staunend sagen werden: „Wie klug und verständig ist das Volk, das solche Regeln hat?“ (5. Mose 4,6). Diese Regeln sind besser als alles, was andere Völker haben und schaffen Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden und Reichtum. Grund auf das Gesetz stolz zu sein, gibt es genug.
Auch wir Eltern sind hoffentlich überzeugt, dass unsere Regeln dem Kind helfen werden. Die Zahnpflege schützt vor Schmerzen, gesunde Ernährung vor Krankheit und der begrenzte Medienkonsum vor gesundheitlichen Problemen. Wir kennen die Gefahren des unregelmäßigen Schulbesuchs und darum halten wir diese Regeln hoch.
Warum genau dieses Gesetz? Weil Gott sein Volk liebt und auserwählt hat (5. Mose 4,37 sowie 5. Mose 7,8). Er möchte, dass es seinen Kinder „gut geht“ und sie „lange leben“. Das wiederholt sich in Kapitel 4-6 immerhin siebenmal.1 Liebende christliche Eltern geben ihren Kindern keine willkürlichen Anweisungen, sondern sinnvolle Regeln, damit sie stark werden ihr Leben erfolgreich bewältigen.
Eine Regel ist dabei besonders. Sie hat weniger mit Gottes Vaterschaft, als mit seiner Göttlichkeit zu tun. Er möchte, dass sein Volk ihm allein folgt. Keinen anderen Götzen. Anders als irdische Eltern, ist er der einzige Gott. Er möchte angebetet werden und erlaubt keine anderen Götter neben sich.
Handlungsfolgen
Was passiert nun, wenn sich seine Kinder nicht an die guten Regeln halten? Wie erzieht er das Volk als „Vater“? Nach 5. Mose 4 lässt er zu, das sie ihre Erfahrungen machen. Gott schickt seine Kinder in die Lehre. Wenn sie andere Götter kennenlernen wollen, dann sollen sie genau das machen. Gott unterstützt sie sogar dabei. Er sagt: „Ich werde euch überall hin zerstreuen“, mitten unter andere Völker.
Was wie eine Strafe klingt ist keine Strafe im engeren Sinn. Es geht nicht nur um das zerstreuen. „Dort werdet ihr den Göttern dienen“, heißt es in dem Text (5. Mose 4,27-28). Das ist also das Ziel. Es geht also darum, dass sie dort den anderen Göttern dienen. Das Volk kann tun, was es immer gewollt hatte: die hippen Religionen, Bräuche und exotische Götzen kennenlernen. Es wird dann sehen, ob sie helfen oder schweigen. Und dann erfahren sie auch, dass sie leiden müssen und unterdrückt werden. Aber nicht, weil Gott es ihnen reindrückt, sondern weil sie ihre Erfahrungen machen. Mehrere Generationen werden versklavt und viele Menschen kommen um. Warum? Damit das Volk tun kann, was es will, nämlich anderen Göttern dienen. Eine logische Folge ist das aus pädagogischer Sicht – oder doch eine natürliche Folge?
Es ist nicht so, dass Gott aktiv viel tun müsste. Es reicht, dass er seinen Schutz zurückzieht. Die anderen Völker holen sich die Israeliten. Gott hält sich zurück. Er überlässt sie den anderen, wie sein Volk es will.
Ich denke da an meine Kinder, wenn sie meine Hilfe mit den schulischen Aufgaben nicht akzeptieren und sich dagegen wehren. Noch kann ich sie motivieren, schieben und bewegen. Aber wie lange noch? Und wann werde ich sie dem Leben und er Schule ungeschützt ausliefern müssen? Natürlich macht es mir Sorgen, wenn die Noten schlechter werden, sie keinen Sinn im Lernen sehen und sich auch sonst nicht auf Hilfe einlassen. An einem Punkt werde ich meine Unterstützung anbieten, sie loslassen und warten.
Und das kleine Kind, das sich weigert die Zähne zu putzen? Auf Dauer kann ich es die Folgen nicht tragen lassen, selbst wenn es auf Süßigkeiten konsequent verzichtet. Die Erfahrung zu frieren, weil es sich weigert die Jacke anzuziehen, das Risiko kann ich getrost eingehen. Entweder das Kind friert und lernt oder meine Regel war ohnehin unsinnig. Die Chance, dass es lernt das Wetter, das eigene Kälteempfinden und die Folgen einzuschätzen, wäre es mir wert. Selbst wenn dem das Risiko des Schnupfens gegenübersteht. Die Abwägung müssen Eltern für sich treffen.
Gottes Erziehungshandeln
Gott hat abgewogen. Die Konsequenzen Israels sind schlimm, als es Gottes Gebote und Warnungen missachtet. Und doch muss es die Erfahrung noch einmal machen. Gerade hat das Volk 40 Jahre in der Wüste hinter sich, in denen es von Gott versorgt und liebevoll erzogen wurde2. Gott brachte ihnen bei, dass er für ihre täglichen Bedürfnisse sorgt. Sie machen eine einzigartige Erfahrung und erkennen, dass ihre „Kleidung nicht zerlumpt“ ist und ihre „Füße nicht geschwollen“ sind3. Seine Kinder sind auch ohne Land materiell gut versorgt. Das Volk wird dieses prägende Erlebnis für Generationen weitererzählen. In der Wüste lernt es, dass es mehr im Leben gibt, als Brot zu essen. Sie erfahren, dass sie Gott vertrauen können. Jahre später werden sie nach Babylon geführt. Gott hatte sie gewarnt was passiert, wenn sie seine Gebote missachten. Sie leben in der Sklaverei, werden unterdrückt und verlieren ihre Heimat. Viele verlieren sogar ihr Leben. Die Folgen sind ernst. Und trotzdem holt Gott sein Volk zurück.
Wenn Gottes Volk anderen Göttern nachläuft, wird es unter andere Völker verstreut. Das ist kein Willkürakt, um seinen Kindern wehzutun. Gott akzeptiert ihren Wunsch, den Weg anderer Götter zu erkunden. Er hilft ihnen, indem er sie dorthin schickt, wo sie diese Götter, Bräuche und Religionen noch besser kennenlernen können. Die Folgen sind katastrophal und schmerzhaft. Gott warnt seine Kinder eindrücklich. Als sie diese Warnungen ignorieren, lässt er ihren Weg mit den seinen Folgen letztlich zu.
Sicherheit gehen
Und dann kommt das Erstaunliche. Noch bevor die Folgen zu spüren sind, gibt Gott seinen Kindern ein Versprechen. Er versichert seinem Volk, dass es zu ihm zurückkommen darf, wenn es seelisch zerschlagen, verwundet und zerschmettert ist. Er ist sich sicher, dass sein Volk kommen wird. Seine Zusage ist: „Du wirst nach mir suchen und mich finden“ (5. Mose 4,29). Warum? „Weil ich gnädig bin und du zu mein Volk bist. “ (5. Mose 4,29). Wenn Israel gebrochen und zerstört am Boden liegt, weil es den Weg ohne Gott gehen wollte, ist Gott da.
Christliche Eltern sind da, wenn das Kind doch noch zur Einsicht kommt. Möglicherweise findet es seinen Weg, erkennt den Wert des Lernens und entwickelt eigene Strategien. Vielleicht kommt es und bittet mich um Hilfe. Wenn Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen, beobachten wir sie aufmerksam und bin sind da, wenn sie uns brauchen.
Manche Erfahrung ist nicht sonderlich dramatisch. Bei anderem sehen wir die tragischen Folgen und es kommt genauso, wie wir es befürchtet hatten. Wir können unsere Kinder nicht vor allem beschützen und oft ist es auch nicht gut, sie zu bewahren. Und doch werden wir den Weg beobachten, um zumindest die schlimmsten Katastrophen zu vermeiden, wenn wir das denn können. Die Zusage christlicher Eltern an ihre Kinder ist dann: „Du bist mein Kind, das mir Gott anvertraut hat. Ich bin für dich da, wenn du am Boden liegst und mich brauchst.“ Das Buch über christliche Erziehung „Wenn Kinder andere Wege gehen“ spricht genau dieses Warten christlicher Eltern an. Sie werden nicht sagen: „Das hast du nun davon“, denn das wissen die Kinder dann selbst. Sie haben durch Erfahrung gelernt.
Eigene Wege gehen lassen
Gott weiß, dass sein Volk auf seinen eigenen Wegen schmerzhafte Erfahrungen machen wird. Er könnte sie zwingen, ihm zu gehorchen. Stattdessen ist er überzeugt, dass Erfahrungen der bessere Weg sind. Für eine kurze Zeit zieht er dann seinen Schutz zurück. Er verhindert nur noch das Schlimmste, nämlich dass sie untergehen werden. Sie müssen ihre eigenen Wege gehen, um zu lernen und Einsicht zu erlangen. Die Israeliten werden überall verstreut. Aber Gott erinnert sich noch bevor sie diesen steinigen Weg gehen daran, dass er ihr Vater bleibt. Und das, obwohl das Volk nicht nur seinen eigenen Weg geht, sondern auch ihn als Person abgelehnt und gedemütigt. Er passt auf sie auf, dass sie auf ihrem Weg nicht zugrunde gehen. Als seine Kinder ihre Fehler erkennen, hilft er ihnen trotz allem immer wieder, mit den schlimmen Folgen ihres eigenen Handelns umzugehen.
Wenn du mehr über gegenwirkende Maßnahmen aus pädagogischer Sicht wissen willst, kannst du hier vorbeischauen. Und doch brauchst du Gottes Weisheit, um die Balance zwischen Schutz bieten und Raum für eigene Erfahrungen deiner Kinder zu finden. Wann kannst du musst du lenken? Wann müssen sie eigene Erfahrungen machen? Gott gibt uns Weisheit, wenn wir ihn bitten. Das hat er versprochen. Also kommen wir zu unserem Vater, wenn wir mit unseren Kindern nicht mehr weiterwissen. Und doch wird nicht alles so laufen, wie wir es uns wünschen.
- Wenn du mehr darüber wissen möchtest, was das Gesetz Gottes von anderen Gesetzestexten unterscheidet, kannst du hier nachschauen: https://christliche-erziehung.net/?p=753 ↩︎
- 5. Mose 8,3-5 ↩︎
- in Vers 4 wird als Ergebnis der Erziehung Gottes in der Wüste die Erfahrung beschrieben, dass Gottes Volk erkennt, dass er für sie sorgt. ↩︎