Ein christliches Menschenbild als Basis der Erziehung? Wofür braucht es das? Viel zu oft streiten Christen über die richtigen „Methoden“ in der Erziehung. Dabei ist das Ziel noch gar nicht klar. Stell dir vor, ein Schreiner versucht, Metall mit seinem Werkzeug zu bearbeiten – das würde kaum funktionieren. Genau das gilt auch für christliche Erziehung und Pädagogik: Wenn wir die Eigenheiten und das Wesen unseres Kindes nicht wirklich kennen, greifen unsere „Werkzeuge“ oft ins Leere – darum brauchen wir ein reflektiertes Menschenbild, das uns zeigt, wer das Kind ist und wer es sein soll.
Was bedeutet das konkret es konkret, sein Kind aus der christlichen Perspektive zu sehen? Wie sieht eine liebevolle und realistische Sicht auf unser Kind aus, die uns hilft, ihm wirklich gerecht zu werden?
Das Wesen des Kindes lässt sich kurz und knapp zusammenfassen – damit sie lebendig werden, reichen die Stichpunkte sicher noch nicht:
(1) Das Kind ist ein Geschöpf Gottes, der es gewollt und ganz individuell geformt hat.
(2) Das Kind ist Gottes Ebenbild – ein perfektes Bild Gottes, wunderbar gemacht, begabt und gewollt – die Aussage gilt auch noch heute in vollem Umfang.
(3) Das Kind ist ein gefallenes Wesen in einer gefallenen und gebrochenen Welt – auch diese Aussage gilt ohne Abstriche (nicht nur für unser Kind). Es ist nicht nur ein bisschen schlecht, sondern durch und durch gefallen.
(4) Das Kind ist auf Rettung durch Jesus Christus angewiesen. Es kann keine Leistung bringen, um befreit zu leben. Dieses Wissen entlastet uns und unser Kind.
Nur wer das Wesen des Kindes und seine eigene Rolle als Vater oder Mutter kennt, kann sicher erziehen. Wer die Grundsätze nicht beherzigt, wird sein Kind unter Druck setzen etwas zu leisten, was es nicht leisten kann. Im schlimmsten Fall prägt diese Krampfhaftigkeit später sogar das Bild des Kindes vom christlichen Glauben. Eltern wünschen sich Musterkinder, die gut in der Schule sind, es im Leben zu etwas bringen – und christliche Eltern wollen, dass ihre Kinder auch noch geistlich reif sind. Schnell werden sie sich und ihre Kinder überfordern und unter Druck setzen, wenn das Menschenbild nicht klar ist.
Im Folgenden werde ich einen kurzen Überblick über die wichtigsten theologischen Aspekte der Erziehung aus der Bibel geben:
Das Kind ist ein geschaffenes Wesen
Der Mensch ist kein Zufallsprodukt, sondern ein bewusst geschaffenes und gewolltes Wesen. Er ist in seine Zeit, sein Umfeld, seine Kultur und Beziehungen hineingestellt. Dies gilt in besonderem Maße für das Kind, das noch nicht in der Lage ist, eigene Lebensentscheidungen zu treffen und sein Leben zu gestalten. Die Überzeugung, dass jeder Mensch von Gott gewollt ist, ist dabei von großer Bedeutung. Es ist auch kein Zufall, dass genau dieses Kind uns als Eltern hat.
Das Kind ist ein Ebenbild Gottes
Die Aussage gilt auch nach dem Sündenfall noch (vgl. 1. Mose 9). Das bildet die Grundlage für das Konzept der Menschenwürde. Sie ist gegeben, weil der Mensch Gottes Ebenbild ist. Moderne Pädagogik hat sich von ihren christlichen Wurzeln gelöst. An der Idee der Menschenwürde hält sie fest. Allerdings fehlt etwas Entscheidendes, wenn er nicht mehr begründet werden kann und der Bezug zu Gott verlorengegangen ist.
Für Christen ist dieser Wert darauf zurückzuführen, dass Gott jeden Menschen in seinem eigenen Bild erschaffen hat. Das macht diese Würde bedingungslos. Sie gilt von Anfang an. Auch dann, wenn das Kind behindert oder krank ist. Und sie gilt bis zum Ende.
Die Auffassung, den Menschen als „Ebenbild“ Gottes zu betrachten, ist ausschließlich im Judentum und Christentum zu finden. Der Islam sieht den Menschen als „Statthalter“. Der Wert ist dabei durch eine Funktion erfüllt, nicht durch seine bloße Existenz. Der Wert des Menschen ist dann an Bedingungen geknüpft. Erfüllt der Mensch seinen Auftrag? Aus christlicher Perspektive ist der Wert des Menschen jedoch unabhängig und unantastbar, da Gott ihn nach dem seinem Abbild geschaffen hat. Göttliches ist bedingungslos wertvoll.
Das Kind ist ein gefallenes Wesen
Aus christlicher Sicht ist der Mensch zwar „sehr gut“ geschaffen, aber heute nicht mehr seinen Ursprungszustand. Er ist durch den Sündenfall von Gott entfremdet und entfernt. Auch dieser Satz gilt in vollem Ausmaß. Das Gute ist nicht nur so ein bisschen getrübt und der Mensch stirbt am Ende seines Lebens auch nicht nur etwas.
Einige pädagogische Ansätze neigen dazu, Kinder in einer idealisierten Weise zu sehen, während andere eine realistischere Betrachtung von Licht und Schatten bevorzugen. Die Bibel thematisiert auch Emotionen wie Neid und Wut, die Eltern oft bei ihren Kindern erleben, insbesondere wenn sie in sozialen Situationen auf Enttäuschungen stoßen. Letztlich führt diese Gefallenheit aber nicht nur zu Problemen in diesem Leben, sondern zum ewigen Tod.
Beide Perspektiven sind wichtig
Viele pädagogische Ratgeber scheitern daran, den Menschen ausschließlich und blauäugig positiv zu sehen – eben als Ebenbild Gottes. Andererseits gibt es aber auch einen überzogenen Pessimismus. Der Mensch ist beides. Die Bibel betont, dass auch die Gottentfremdung, der Egoismus und Lieblosigkeit von Anfang an – oder „von Jugend auf“ – im Herzen des Menschen angelegt ist1.
Manche Christen betonen lediglich die Gottebenbildlichkeit und neigen dazu, sich naiv zurückzulehnen. Andere hingegen tendieren dazu, streng zu kontrollieren und das Böse auszutreiben, als ob sie Bildhauer seien, die das Kind nach eigenem Ermessen formen könnten. Die christliche Erziehung hat nicht nur die zwei Pole, sondern eine dritte Dimension. Sie beschränkt sich nicht auf diese Aspekte, sondern setzt noch weitere Akzente. Erst dadurch wird sie nicht nur eine „religiöse“, sondern auch eine „christliche“ Erziehung.
Erziehung oder Erlösung?
Nun gibt es Erziehungsansätze bei denen versucht wird, das Schlechte dem Kind regelrecht abzuerziehen. Nicht nur christliche, sondern gerade in der Aufklärung wurde von Atheisten eine „Schwarze Pädagogik“ praktiziert. Aus christlicher Sicht ist das Böse im Herzen und kann nur durch das Erlösungswerk von Jesus Christus beseitigt werden. Darum müssen und können wir es gar nicht austreiben. Wer es gewaltsam austreiben will (wie so manche übereifrigen Atheisten in der Epoche der Aufklärung), überschätzt menschliche Möglichkeiten. Christliche Eltern setzen hier einen Gegenpol. Sie wissen, dass sie ganz und gar auf das Erlösungshandeln Gottes angewiesen sind.
Warum dann noch erziehen? Erziehung versucht durch die Vermittlung von Höflichkeit, Respekt und Manieren mit den Folgen des Bösen Herzens umzugehen. Wenn wir schon nicht dankbar sind, dann doch wenigstens ein höfliches Dankeschön. Und wenn wir uns als Egoisten doch gerne selbst das erste Stück nehmen, gebietet die Höflichkeit, dass wir dem anderen den Vortritt lassen. Höflichkeitsregeln zeigen letztlich, dass unser Herz nicht gut ist – sonst bräuchten wir keine Regeln, sondern würden einfach „fließen lassen“, was in uns ist. Unserer Umwelt tut Höflichkeit gut – und letztlich auch uns. Noch besser wäre es, wenn unsere Herzen verändert wären.
Christliche Erziehung zielt auf die Veränderung des Herzens. Die kann nur Jesus Christus selbst bewirken. Darum weißt christliche Erziehung unermüdlich auf sein Beziehungsangebot hin. Letztlich sind unsere Kinder aber selbst verantwortlich dafür, ob sie das Angebot annehmen.
Das Kind ist ein auf Gott angelegtes Wesen
Religiosität ist ein tief verwurzelter Bestandteil der menschlichen Natur und in allen Kulturen präsent. Selbst unter repressiven Regimen, die den Atheismus fördern und den Glauben zu unterdrücken versuchen, bleibt die spirituelle Neigung des Menschen bestehen. König Salomo sprach einst davon, dass Gott dem Menschen das Verlangen nach Ewigkeit ins Herz gelegt hat. In christlicher Perspektive ist der Mensch von Natur aus auf eine Beziehung zu Gott ausgerichtet, die seit dem Sündenfall gestört ist. Ein Kind ist von Natur aus ein geistliches Wesen, und ihm die Möglichkeit zur religiösen Erziehung vorzuenthalten, verleugnet seine Bedürfnisse. Darum brauchen wir ein christliches Menschenbild als Basis der Erziehung.
Der Mensch als „Bildungswesen“
Und nun noch ein Begriff, der Pädagogik und Theologie wie kein anderer verbindet: „Bildung“. Darin steckt das Wort „Bild“. Meister Eckhart – der den Begriff „Bildung“ erfunden hat – sieht darin einen Prozess, in dem ein Mensch in das Bild Gottes geformt wird. Bildung ist der Prozess, dass der Mensch seiner wahren Natur als Ebenbild Gottes entspricht. Wie passiert das? Indem er das „Bild“ Gottes in seinem Sohn anschaut. Dadurch wird das Bild des Sohnes in den Menschen hineingebildet – oder er wird „eingebildet“.
Bei der Bildung wird in einem Menschen angelegte Potenzial zur Entfaltung gebracht. Für Christen ist klar, dass es Gott selbst ist, der diese Anlagen in das Kind hineingelegt hat. Seine volle Entfaltung wird dieses Potenzial, das in der Gottebenbildlichkeit liegt, nur in Beziehung mit dem Schöpfer erfahren.
Es genügt nicht, die zentralen Elemente des biblischen Menschenbildes lediglich zu lesen; vielmehr ist es von Bedeutung, sie zu durchdringen. Was bedeutet es, dass Gott mein Kind im Mutterleib geformt hat? Was bedeutet es, dass er es gewollt hat? Wo erkenne ich sein Ebenbild? Wie verhalte ich mich angesichts seiner Sündhaftigkeit? Und wie finde ich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen Aspekten?
Problem eines unreflektierten Menschenbildes
Manche Erziehungsratgeber fangen mit irgendwelche punktuellen Werten an, oder noch schlimmer: Sie geben gleich Ratschläge, wie es angeblich funktioniert. Das ist verständlich. Eltern suchen natürlich schnelle Lösungen und der Druck ist manchmal groß. Praktische Erziehungstipps sind punktuell sogar hilfreich. Aber erst eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Menschenbild gibt wirklich Handlungssicherheit für christliche Erziehung und Pädagogik. Eltern die sich damit intensiv beschäftigt haben, werden dann nicht mehr krampfhaft versuchen jede Anforderung – von Freunden, der Schule oder vermeintlich erfolgreichen Eltern in der Gemeinde – zu erfüllen. Sie werden ihren Erfolg auch nicht an kurzfristigen Effekten und wechselnden Kriterien messen.
Also gehen wir dem noch einmal etwas genauer auf die Spur. Und nicht nur das: Wir betrachten den Menschen nicht nur theologisch, sondern schauen auch auf das, was wir beobachten können. Die pädagogische Anthropologie leistet dabei einen großen Beitrag. Für christliche Eltern, Erzieher und pädagogische Fachleute sind beide Aspekte von großem Interesse. Daraus leiten Sie schließlich Ziele der Erziehung und konkrete Erziehungsmaßnahmen ab.
Das christliche Bild vom Kind – Christliches Menschenbild als Basis der Erziehung
In unterschiedlichen Jahrhunderten wurden jeweils andere Akzente gesetzt – und dennoch sind die folgenden Aspekte aus dem Menschenbild immer relevant und zeitlos für christliche Erziehung und Pädagogik. Über die Gewichtung der Aussagen über das Wesen des Kindes jeweils diskutieren. Dabei werden Christen je nach Kultur, Epoche und Persönlichkeit andere Antworten über die Zusammenhänge finden. Und doch spielen alle diese Aspekte stets eine wichtige Rolle für christliche Erziehung. Was ergibt sich nun aus der Einsicht, dass das Kind ein Geschöpf Gottes, ein Ebenbild, sowie ein gefallenes und erlösungsbedürftiges Wesen ist?
1. Das Kind besitzt gute Eigenschaften und Potenziale
Wer in Kindern nur böse Monster sieht, übersieht vieles. Ich erinnere mich, wie liebevoll sich meine Kinder um mich gekümmert haben, als ich mit hohem Fieber krank und mit ihnen ganz alleine zu Hause war. Auch die vielen Geschenke und Bilder, die sie gemacht haben, die Weihnachtspäckchen, die sie für Waisenkinder gepackt haben – Nein, es ist nicht alles schlecht, sondern vieles ist gut.
Woher Gutes kommt
Das Kind ist von Gott „gut“ geschaffen. Selbst wenn es nichts gutes tut: Er sehnt sich nach Schönheit, Gerechtigkeit, nach dem Guten und nach Gott selbst. Er ist von Gott auch befähigt, selbst Gutes zu tun – und das nicht erst, wenn es Jesus Christus kennengelernt hat. Auch bei Eltern sehen wir einen Instinkt, sich für ihre Kinder einzusetzen und sogar aufzuopfern. Gott hat ihn in sie hineingelegt. Die Vater- und Mutterliebe gibt es nahezu in allen Kulturen. Fremde helfen uns, wenn wir in Not sind und Kinder strahlen, wenn sie geholfen haben. Das alles hat Gott in den Menschen hineingelegt.
Bedeutung für die Erziehung
Die Möglichkeit Gutes zu tun ist die Grundlage, dass wir von Kindern erwarten, dass sie sich entsprechend verhalten. Auch das Gebot Gottes „Liebe deinen Nächsten“ hat hier seine Begründung. Gott fordert den Menschen auf, weil er ihn dazu befähigt. Und „nein“ – die Gottebenbildlichkeit ist mit dem Sündenfall nicht zerstört (1. Mose 9). Sie besteht in vollem Umfang solange der Mensch lebt. Daher hat der Mensch eine „Würde“ – nicht nur so ein bisschen bis zu einer bestimmten Grenze, sondern von Anfang an bis zum letztem Atemzug. Wer ein christliches Menschenbild als Basis der Erziehung hat, kann sagen: Auch dann wenn er behindert ist, wenn er schwach ist und wenn er alt ist. Christliche Erziehung und Pädagogik hat ein eindeutiges Menschenbild: Die Würde ist dem Menschen und dem Kind gegeben, weil der Mensch von Gott geschaffen ist.
Es ist Gottes Gnade, dass diese Ebenbildlichkeit trotz des Sündenfalls noch sichtbar ist. Gott lässt die Schöpfung nicht fallen. Er kümmert sich selbst dann noch um sie, wenn niemand mehr nach ihm fragt. Das „Gute“, das Gott Tag für Tag wirkt, zeigt sich darin, dass der Mensch einen Sinn für „Schönheit“, „Frieden“ und der „Ewigkeit“ in sich trägt – auch wenn dabei mit seinen Grenzen konfrontiert wird. Und auch ganz praktisch erleben wir Gutes – nicht nur von Christen. Es ist etwas sichtbar von dem Guten, das Gott geschaffen hat. Das Ziel ist es, dass der Mensch zu dieser Schönheit zurückkehrt und diese ursprüngliche Gestalt zurückgewinnt.
2. Das Kind besitzt zerstörende Kräfte
Das Kind ist in seinem Ursprungszustand „gut“. Es ist aber heute auch ein „gefallenes“ Wesen und von Gott getrennt. Wir sehen bei Kindern, dass sie nicht immer nur „lieb“ sind und „helfen“ wollen. Sie sind von Anfang an Egoisten und schreien wenn ihre Bedürfnisse nicht erfüllt sind. Bei einem Baby ist das verständlich und vielleicht sogar niedlich, aber auch Jugendliche und Erwachsene schreien nach Anerkennung – oft ist das nicht mehr ganz so süß.
Worin sich diese Kräfte zeigen
Der Mensch ist nicht nur so ein bisschen „gefallen“ und noch ein bisschen „gut“. Nach christlicher Sicht stirbt er sogar als Folge der Entfremdung zu Gott. Am Ende des Lebens liegt er nicht halb-lebendig im Sarg, sondern muss vollständig sterben. Sein Leben steht unter dem Vorzeichen des Todes. Praktisch sehen wir die Gefallenheit der Schöpfung an anderen, wenn wir Krieg und Unterdrückung sehen. Bis heute sehen Menschen diese bösen Triebkräfte stets an anderen – den Politikern, anderen Völker, an Mächtigen. Es ist schwer, sich selbst ins Herz zu schauen und einzugestehen, dass dort vieles nicht so gut ist, wie es nach außen hin aussieht. Die Gefallenheit zeigt sich aber auch in unserem Herzen. Gefühle wir Neid, Wut oder Egoismus zerstören Beziehungen. Kinder sind hier noch „naiv“, sie vertrauen anderen oft blind. Erwachsene wollen ihnen vermitteln, dass es Gefahren in der Welt gibt.
Was Erziehung (nicht) leisten kann
Gerade an Kindern sehen wir in besonderer Weise, dass sich negative Gefühle oft ungefiltert entladen. Es gibt Wutausbrüche und aggressives Verhalten. Andere werden beleidigt und ausgegrenzt. Stärker als bei Erwachsenen. Warum? Nicht weil Kinder schlechter sind. Wir Erwachsenen dürfen uns da nicht täuschen! Sondern: Wir Erwachsenen haben gelernt unser Herz zu „verstecken“ und höflich zu sein. Wir verachten den anderen in unserem Herzen und lächeln wohlwollend. Wir sagen „Danke“, nur um höflich zu sein. Wenn unser Herz dankbar wäre, bräuchten wir kein förmlich anerzogenes „Dankeschön“, sondern die Dankbarkeit wäre deutlich spür-, hör- und sichtbar. Wenn alles gut wäre, würden Annahme und Liebe aus unseren Herzen heraussprudeln. Dass wir „Höflichkeitsformen“ brauchen zeigt, dass vieles in unserem Herzen nicht in Ordnung ist. Sie schützen uns und unsere Umwelt.
(1) Beobachtungen: Pädagogische Aspekte

Die Natur des von Gott geschaffenen Kindes lässt sich beobachten. In der pädagogischen Anthropologie werden diese Beobachtungen diskutiert. [mehr…]
(2) Glaube: Theologische Aspekte

In der Bibel gibt es zentrale Aussagen, die sich wie ein roter Faden hindurchziehen und für die Erziehung sehr relevant sind. [mehr…]
(3) Christus: Zentrale christliche Aspekte

Christen sind überzeugt, dass Kinder Jesus Christus brauchen, um befreit zu leben, in Gemeinschaft mit Gott zu leben und ein erfülltes Leben zu führen. [mehr…]
Exkurs zu einem Spannungsverhältnis zwischen Gefallenheit und Gottebenbildlichkeit
Sowohl die Gottebenbildlichkeit, als auch die Gefallenheit existieren jeweils in vollem Umfang. Wäre der Mensch nur noch so ein bisschen Ebenbild, dann hätte er auch nur noch ein bisschen Menschenwürde. Sie leitet sich schließlich aus der Gottebenbildlichkeit ab. Umgekehrt: Wäre er nur teilweise gefallen, müsste er am Ende seines Lebens auch nur so halb sterben. Weil er aber ganz und gar gefallen ist, stirbt er endgültig. Dass der Mensch beides gleichzeitig ist, übersteigt unsere Vorstellung, ist aber wichtig.
Das christliche Menschenbild ist nicht einseitig negativ, wie die „Schwarze Pädagogik der Aufklärung (Hegel)“ oder die Trieblehre von Sigmund Freud, der Begründer der modernen Psychologie. Diese pädagogischen bzw. psychologischen Richtungen sehen ausschließlich aggressive und negative Triebkräfte des Kindes. Die „Würde“ und der Wert, der von Gott jedem Menschen gegeben sind, kommen in ihren Modellen nicht vor. Christliche Pädagogik sieht hingegen, dass Gutes und Böses beides vorkommen. Sie ist nicht pessimistisch, aber auch nicht naiv. Sie sieht, dass der Mensch heute nicht mehr in seinem Ursprungszustand ist, sondern sich durch den Sündenfall von Gott und seinen Mitmenschen entfremdet und entfernt hat.
Gott gibt den ersten Menschen Kleidung, um sich voreinander zu verstecken (1. Mose 3). Wir geben unseren Kindern Höflichkeitsformen, Selbstbeherrschung und Umgangsformen mit, die wir selbst gelernt haben. Das Dunkle in unserem Herzen wird damit umkleidet. Höflichkeit, Rücksicht und Sittsamkeit ist ein Schutz für das Kind und für seine Umwelt. Das ändert zwar nicht die Ursachen und den Kern, macht das Zusammenleben aber deutlich harmonischer. Das Problem bleibt: Die Trennung von Gott, Sünde und letztlich der Tod.

Spannungsverhältnis
Das Kind ist Ebenbild Gottes, aber auch gefallen. Beides müssen wir in ein Verhältnis bringen, um dem Kind gerecht zu werden. [mehr…]
Das Wissen um die Gefallenheit ist wichtig, um die Gnade umso größer zu machen. Ohne die Einsicht der eigenen Sündhaftigkeit, ist Gottes Zuwendung wenig wert. Die Bedeutung der Vergebung ist ein zentraler Aspekt des christlichen Glaubens – sowohl zwischen Gott und Mensch, als auch unter Menschen.
3. Gott geht seinen Weg mit jedem Kind
Jedes Kind hat eine Sehnsucht nach Gott. Diese Sehnsucht mag durch Hektik, Unruhe oder das Böse im Herzen zugedeckt sein. Ablenkungsfakturen gibt es viele. Den göttlichen Funken gilt es zu wecken. Das ist zentral die Aufgabe des göttlichen Geistes. Unsere Aufgabe ist es, die Bewegungen zu erkennen und uns in sein Werk hineinnehmen zu lassen.
Letztlich erzieht Gott selbst. Menschen haben eine unterstützende Funktion. Ein wesentliches Erziehungsmittel ist die Schöpfung. Durch die Betrachtung der Natur, kann die Schönheit und die Größe des Schöpfers erkannt werden. Aber auch schmerzhafte Erfahrungen sind Erziehungsmittel – nicht als Strafe, sondern um ihn zu erkennen und sich de Guten zuzuwenden und die Abhängigkeit vom Schöpfer zu erkennen.
Kinder gehören uns nicht, sondern werden von uns eine begrenzte Zeit begleitet. Ziel ist es nicht, sie an uns zu binden, sondern auf Gott hinzuweisen. Unsere Kinder sind für ihr Handeln selbst verantwortlich und müssen die Folgen ihres Handelns tragen. Darum sind Erwachsene nichts als Wegweiser – zu Gott hin, der unser Handeln beurteilt, zu Jesus Christus, der uns befreit, und zum Heiligen Geist, der in uns wohnen möchte.
Wir wissen, dass Gott seinen Weg mit jedem Menschen geht, ihn anspricht und begleitet. Darum müssen wir Kinder nicht drängen sondern dorthin bringen, wo sie weisen Rat finden. Gott beurteilt den Lebensweg und innere Motive, die wir selbst als einfühlende Eltern oft nicht verstehen. Wir müssen Gott nichts vorwegnehmen, sondern dürfen unsere Kinder in seine Hände legen.
4. Kinder sind auf Erziehung angewiesen
Christliche Erziehung und Pädagogik berücksichtigt auch Fakten, die jeder leicht beobachten kann, und integriert sie in ihr Menschenbild. Berichte von Wolfskindern zeigen beispielsweise, wie schlimm die Folgen sind, wenn Kinder ohne menschlichen Kontakt aufwachsen. Auch jenseits dieser Extreme lässt sich beobachten, dass Kinder sich schlecht entwickeln, wenn ihnen Zuwendung fehlt – selbst wenn alle physischen Bedürfnisse erfüllt sind.
Kinder sind auf Erziehung angewiesen, um ihr menschliches Potenzial zu entfalten. Der Mensch kann überlegen, abwägen und urteilen, bevor er reagiert – das instinktgesteuerte Tier kann das nicht. Sprachliche Fähigkeiten erlauben eine komplexe Abstimmung mit anderen Menschen. Ein christliches Menschenbild als Basis der Erziehung nimmt diese Tatsachen wahr und erkennt, wie Gott den Menschen geschaffen hat.
Der Mensch ist nicht dafür geschaffen, ein „Wolfskind“ zu sein – darin sind sich Christen und die pädagogische Anthropologie einig. Ohne Erziehung lernt kein Mensch zu planen oder zu reflektieren. Auch Sprache und Kultur werden in sozialer Gemeinschaft vermittelt. Schließlich ist es dem Menschen auch möglich, über Gott nachzudenken. Er ist zur Gotteserkenntnis befähigt. Ohne Beziehungen sind Kinder nicht lebensfähig, sie explorieren nicht und ihre Anlagen verkümmern, selbst wenn die grundlegenden körperlichen Bedürfnisse gedeckt sind.
Einige Tiere können vom ersten Tag laufen, andere werden nach wenigen Tagen aus dem Nest gestoßen. Instinkte erlauben ihnen, zu überleben. Beim Menschen ist das anders. Gott hat menschliche Kinder so geschaffen, dass sie alleine nicht lebensfähig sind. Kinder brauchen Erwachsene zum Überleben und um ihre menschlichen Eigenschaften wie Sprache, Denk- und Planungsfähigkeit, Impulskontrolle, soziales Miteinander oder kulturelle Handlungen zu erlernen.
5. Kinder brauchen Bindungspersonen
Kinder brauchen nicht nur Anregung, sondern Beziehungen. Dabei kann sich das Kind – vor allem vor in den ersten Lebensmonaten – an verschiedene Personen binden. Verlässlichkeit und ein stabiles Familienumfeld sind im weiteren Verlauf wichtig.
In der Regel werden Vater und Mutter die ersten Bezugspersonen sein. Dass Gott seinen Weg mit jedem Kind geht, entbindet sie als Eltern nicht von ihrer Verantwortung sie zu begleiten. Das mag für sie herausfordernd sein. Dennoch dürfen sie wissen: Es ist kein Zufall, dass sie dieses Kind haben und es bei ihnen aufwächst. Darum vertrauen sie darauf, dass Gott uns alles gegeben hat, was „ihre“ Kinder brauchen.
Viele Pflege-, Stief- und Adoptiveltern kümmern sich rührend um ihre Kinder. Und doch ist es ein Privileg, bei den eigenen Eltern aufwachsen zu dürfen und ein stabiles Umfeld als Basis für das Entdecken der Welt zu haben. Menschen suchen instinktiv nach ihrer Herkunft. Sie haben eine „natürliche Zuneigung zu ihrem Erzeuger“, wie es Basilius von Cäsarea im 4. Jahrhundert formuliert. Selbst wenn sie ihre Eltern nicht kennen, beschäftigen sie sich mit der Frage: „Wo komme ich her?“ Die Begegnung mit leiblichen Eltern kann im Einzelfall herausfordernd oder sogar verstörend sein. In der Regel ist dieser menschliche Mechanismus hilfreich. Eine innere Kraft treibt Kinder dorthin, wo sie herkommen – zu ihren Eltern und zu ihrem Schöpfer.
Bereits Kleinkinder geben keine Ruhe, bis sie die Sicherheit einer erwachsenen Personen spüren. Aber nicht nur Kinder suchen Halt bei Erwachsenen. Erwachsene lassen sich instinktiv auf Kinder ein. Die kindlichen Formen und das Verhalten sind von Gott so angelegt, dass sie von Erwachsenen als „süß“ und „liebenswert“ empfunden werden. Sie wollen Kindern Gutes tun, ihnen helfen, sie unterstützen. Erwachsene treibt es instinktiv dahin, sich um Kinder zu kümmern. Für unsere Erziehungsaufgabe sind wir von Gott abhängig und ihm gegenüber verantwortlich.
6. Kinder brauchen Jesus Christus
Christliches Menschenbild als Basis der Erziehung ist zentral für Christen. Aber was sind die Grundlagen? Das spezifische christlicher Erziehung ist, dass sie auf Jesus Christus hinweist. Christliche Erziehung ist weit mehr als religiöse Erziehung (Werte und Moral) oder biblische Erziehung (Einzelaussagen der Bibel). Beides ist nicht das Zentrum der christlichen Botschaft, sondern Jesus Christus selbst.
Für Christen ist die Person Jesus Christus nicht beliebig, sondern zentraler Eckstein. Mit ihm steht und fällt letztlich alles. Er ist „die“ Tür, „das“ Brot und „der“ Weg und nicht austauschbar. An diesem Selbstanspruch stoßen sich die Frommen und die Heiden seiner Zeit (z. B. Joh 6,29-69) und auch heute sind diese Jesusworte nicht unumstritten. Jesus selbst ist bereit, dafür zu sterben (vgl. Joh 5,17).
Andererseits glauben christliche Pädagogen, dass Jesus Kinder befreit, die sich ihm anvertrauen. Neben dieser Glaubensentscheidung ist es vor allem das Anschauen von Jesus Christus, durch das er selbst Gestalt in Menschen annimmt und sie dadurch prägt. Das Wort „Bildung“ (eine Wortschöpfung des Theologen Meister Eckhardt im 13. Jahrhundert) hat hier seinen Ursprung. Bildung bedeutet, dass die Gottebenbildlichkeit durch das Anschauen des „Bildes Christi“ sichtbar Gestalt annimmt. Das von Gott geschaffene „Gute“ wird hierdurch freigelegt.