Spannung zwischen Gottebenbildlichkeit und Sündhaftigkeit

Das Kind ist Ebenbild Gottes, aber auch gefallen. Beides müssen wir in ein Verhältnis bringen, um dem Kind gerecht zu werden. Einige pädagogische Ansätze neigen dazu, Kinder in einer idealisierten Weise zu sehen. Dazu gehören Rousseaus Vorstellung des reinen und unschuldigen Kindes, das durch die Gesellschaft verdorben wird, oder auch die „antiautoritäre Pädagogik“. Andere sehen nur negative aggressive, sexuelle oder destruktive Triebkräfte, wie die „klassische Psychoanalyse“ oder die „Schwarze Pädagogik der Aufklärung“. Christliche Erziehung bevorzugt hingegen eine ausgewogene und realistische Betrachtung von Licht- und Schattenseiten.

Die Spannung zwischen Gottebenbildlichkeit und Sündhaftigkeit des Menschen ist für das Menschenbild christlicher Erziehung und christliche Pädagogik ein zentrales Thema. Wird sie in die eine oder andere Seite aufgelöst, gibt es eine Schieflage.

Wird das Kind in naiver Weise als „unschuldig“ und „rein“ angesehen, wird jegliches problematische Verhalten entschuldigt oder auf das Umfeld geschoben. Im schlimmsten Fall sehen die Eltern sich selbst die Ursachen ausschließlich in ihrer Erziehung, weil sie dem Kind zu wenig Aufmerksamkeit gegeben haben. Eine Pädagogik der maximalen Zurückhaltung und möglichst keinerlei Einwirkung auf das Kind wäre die Folge.

Wird andererseits nur das „Negative“ gesehen, tun Erziehende alles um das Schlechte aus dem Kind auszutreiben. Das wird vor allem dann fatal, wenn sie meinen mit menschlichen Möglichkeiten das „Böse“ austreiben zu können. Die eigenen Möglichkeiten Erziehender werden maßlos überschätzt. Erziehende sind geradezu gefordert, das Böse auszutreiben, weil Gott nicht im Blick ist. Die Schwarze Pädagogik der Aufklärung ist hierfür ein mahnendes Beispiel.

Aus christlicher Sicht überschätzen Erziehende ihre Macht maßlos, wenn sie davon ausgehen durch rigide Erziehungspraktiken das Böse austreiben zu können, anstatt auf das Erlösungswerk Christi und das Wirken Gottes zu setzen. Die Bibel thematisiert neben der Gottebenbildlichkeit auch Emotionen wie Neid und Wut. Das erleben auch Eltern bei ihren Kindern sehr sichtbar. Diese Gefallenheit führt aber nicht nur zu Problemen und Konflikten mit anderen Menschen und Gott, sondern schließlich zum ewigen Tod. Erziehung zu Höflichkeit und Sittsamkeit hilft, das „Schlechte“ im Herzen zu verstecken. Das ist sinnvoll, denn es schützt das Kind und seine Umwelt. Es ändert aber nicht sein Inneres. Die Lösung liegt in der Herzensveränderung aus der Beziehung mit Christus. Eltern sind mit ihrer Erziehungsaufgabe nicht alleine, sondern dürfen sie mit Gott wahrnehmen.

Neuere (nicht nur) christliche Ansätze fokussieren heute oft die positiven Eigenschaften. Allerdings wird auch in der Pädagogik die Notwendigkeit gesehen, Fehlentwicklungen zu begegnen. Eine naturalistische Erziehung im Sinne Rousseaus oder die antiautoritäre Bewegung konnten sind nicht durchsetzen. Problematisch wird es insbesondere, wenn auf einen Aspekt abgehoben wird (entweder das Gute oder das Böse überbetont wird) und andere völlig unbeachtet bleiben. Das Kind ist beides.