Erziehung ohne Strafe

In Bezug auf Strafen existieren viele kontroverse und emotional aufgeladene Standpunkte. Einige behaupten, dass Erziehung ohne Strafe nicht möglich ist, während andere die Abschaffung von Strafen fordern. Auch christliche Eltern stehen vor dieser Diskussion.

Vor der Lösung dieses Konflikts ist es von grundlegender Bedeutung, zu klären, was genau unter dem Begriff „Strafe“ verstanden wird. Der behavioristische Psychologe B. F. Skinner definiert Strafe als jede schmerzhafte Lernerfahrung, die dazu führt, dass ein bestimmtes Verhalten seltener auftritt. Dies schließt nicht nur erzieherische Maßnahmen durch Eltern, Erzieherinnen oder pädagogische Fachkräfte ein, sondern bezieht auch natürliche Konsequenzen mit ein. Ein Beispiel hierfür wäre die Erfahrung eines Kindes, das stürzt, weil es über eine nasse Oberfläche läuft.

In der jüngsten pädagogischen Entwicklung hat sich der Begriff „Strafe“ in gewisser Weise gewandelt. Es wird nun zwischen Begriffen wie „Wiedergutmachung“, „logische Folge“ und „Strafe“ unterschieden. Im engeren Sinne wird „Strafe“ nun als eine erzieherische Maßnahme verstanden, die nicht mit dem Fehlverhalten des Kindes in Zusammenhang steht. Heutzutage würden viele Pädagogen viele gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen schlichtweg nicht mehr als „Strafe“ bezeichnen, die sie aber dennoch akzeptieren. Um einige Beispiele zu nennen:

Wiedergutmachung bedeutet, dass ein Kind dazu angehalten wird, Verantwortung für die Folgen seines Fehlverhaltens zu übernehmen. Wenn es beispielsweise den Turm eines anderen Kindes aus Bauklötzen zerstört hat, wird es angeleitet, den Turm so gut wie möglich wieder aufzubauen. Wiedergutmachung kann sich auf das Reparieren von Schäden, das Anbieten von Ersatz, das Spendieren von Zeit und Trost oder das Malen eines Entschuldigungsbildes beziehen, um dem verletzten Kind Freude zu bereiten. Wenn Wiedergutmachung als Erziehungsinstrument genutzt wird, lernt das Kind nicht nur, welche Auswirkungen sein eigenes Fehlverhalten auf andere hat, sondern auch, wie es Schäden wiedergutmachen kann.

Natürliche Konsequenzen treten ohne das Eingreifen der Erziehungspersonen auf. Ein Beispiel wäre, wenn das Kind über einen nassen Boden rennt und dabei stürzt. Solche logischen Konsequenzen ergeben sich aus dem Verhalten des Kindes. Logische Folgen sind hiervon abgeleitet mit dem Unterschied, dass die von Erziehenden arrangiert sind. Ein Beispiel ist, wenn das Kind sich nicht an die vereinbarte Uhrzeit hält und zu spät nach Hause kommt. In diesem Fall wird die geplante Vorlesezeit vor dem Schlafengehen entsprechend gekürzt. Diese Konsequenzen sind direkt auf das Fehlverhalten bezogen und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind die Auswirkungen seines eigenen Verhaltens erkennt.

Im traditionellen Verständnis wird alles, was Verhalten sanktioniert, als Strafe betrachtet. Logische Konsequenzen und Wiedergutmachung gelten als „gute“ Formen der Bestrafung, da sie erzieherische Maßnahmen sind, die in einem klaren Zusammenhang mit dem Fehlverhalten stehen. Sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind Einsicht zeigt und belasten die Beziehung zu den Erziehungsberechtigten weniger stark. In einem engeren Verständnis wird der Begriff Strafe auf erzieherische Maßnahmen beschränkt, bei denen die Konsequenzen in keinerlei Beziehung zum Fehlverhalten des Kindes stehen.

Klar ist: Erziehung erfordert Maßnahmen. Sie hat klare Ziele, beeinflusst das Verhalten positiv und fördert die Entwicklung. Dazu gehören auch disziplinierende Maßnahmen. Reflektierte christliche Eltern, genauso wie andere Erzieherinnen und pädagogische Fachkräfte, müssen sorgfältig abwägen: Welche Maßnahmen fördern Einsicht? Wie kann vermieden werden, dass das Kind die Maßnahme als willkürlich empfindet? Wie kann die Beziehung am wenigsten belastet werden?

Christlichen Eltern werden nicht immer ideale und logische Konsequenzen einfallen. Und och ist es wichtig, über die verschiedenen Möglichkeiten nachzudenken und in der Verantwortung vor Gott zu handeln. Wir können mit Gott in den Dialog treten. Und dann gilt es, die bestmögliche Option aus den möglichen Alternativen zu wählen. Am Ende sollte stets die beste Lösung gefunden werden.

Um dieses Abwägen praktisch zu machen: Ein Fernsehverbot als Reaktion auf respektloses Verhalten gegenüber einem Erwachsenen ist weniger sinnvoll als ein ausführliches Gespräch mit dem Kind, um das Verhalten zu besprechen. Ein Abschluss könnte in Form eines Entschuldigungsbriefs erfolgen. Ein anderes Beispiel: Wenn ein Kind hartnäckig darauf besteht, sein Zimmer nicht aufzuräumen, könnte die Mutter dies vorübergehend übernehmen und die Spielsachen für einige Tage in einer verschwindenden Kiste aufbewahren. Der Zusammenhang zwischen dem Verhalten und dieser Maßnahme ist nachvollziehbar. Und doch wird die Einsicht bei allem Bemühen oft nicht erfolgen.

Ob alle unangenehmen Konsequenzen – selbst diejenigen, für die Erziehende keine Schuld tragen – im herkömmlichen Sinne als Strafen bezeichnet werden, oder ob Strafen in einem engeren Sinne verstanden werden, um sie von sinnvolleren Maßnahmen wie Wiedergutmachung oder logischen Konsequenzen zu unterscheiden, ist letztlich eine Frage der Definition.

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