Tool #2: Der Kraftdämpfer: Gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen

Was tun, wenn das Verhalten nicht angemessen ist?

Kinder handeln nicht immer so, wie wir es uns wünschen. Wie gehen wir damit um, wenn unser Kind auf einer Familienfeier das Sofa zur Bühne macht und Bitten ignoriert, die Wand nicht mit Nutella zu bemalen? Als Eltern haben wir die Aufgabe das Handeln unserer Kinder zu beurteilen und angemessen zu reagieren – aber welche Ansätze sind sinnvoll?

Handlungsfolgen aufzeigen

Schon im Alten Testament zeigt Gott auf, welche Handlungsfolgen ihr Verhalten haben wird. „Wenn ihr den Geboten des HERRN… gehorcht…“ (5. Mose 28,13), verheißt Segen, während auch die Nichtbefolgung Folgen hat. Gott macht erst einmal nichts, als seinem Volk die Folgen zu verdeutlichen, die das eigene Handeln hat.

Wir können unseren Kindern ebenfalls helfen, Zusammenhänge zwischen Handeln und Konsequenzen zu verstehen – indem wir mit ihnen über die Folgen ihres Tuns sprechen. Dadurch bieten wir Orientierung. Solche Gespräche sollten zeitnah und in ruhigem Ton stattfinden. Oft verstehen sie, dass Regeln nicht „einfach so“ da sind, sondern Schutz bieten oder wir zumindest eine gute Absicht damit verfolgen. Manchmal wirkt das Gespräch Wunder – oft auch nicht.

Klare Regeln setzen

„Du darfst jede Frucht im Garten essen, abgesehen von den Früchten des Baums der Erkenntnis“ (1. Mose 2,16-17) – diese klare Ansage zeigt, wie wichtig es ist, Erwartungen verständlich zu formulieren. Gott lässt keinen Zweifel, was er erwartet. Wir sind da manchmal schwammiger und haben Vorstellungen im Hinterkopf, die nicht ausgesprochen werden.

Wenn Kinder nur vage Andeutungen hören, fällt es ihnen schwer, zu verstehen, was wirklich von ihnen erwartet wird. Je kleiner die Kinder sind, desto weniger können sie sich in uns hineindenken. Klare Regeln und Anweisungen helfen ihnen, Grenzen und Orientierung zu finden. Konkrete und erreichbare Ziele fördern eine positive Entwicklung, und das SMART-Prinzip (spezifisch, messbar, aktiv, realistisch und terminiert) unterstützt uns dabei. So können wir Kindern eine klare Richtung geben, ohne sie zu überfordern.

Natürliche Folgen eintreten lassen

Die Geschichte des verlorenen Sohnes (Lukas 15,11-32) zeigt die Wirksamkeit natürlicher Folgen. Der Vater macht? Nichts. Er lässt seinen Sohn ziehen und ihn die Konsequenzen seiner Entscheidung erleben. Dass der Sohn mit den Schweinen isst, ist nicht die Schuld des Vaters.

Manchmal ist das Erleben von Folgen lehrreicher als eine strenge Bestrafung. Auch im Alten Testament lässt Gott sein Volk Israel oft die Konsequenzen des eigenen Handelns spüren. Immer wieder läuft es von Gott weg, um dann schließlich nach Babel verschleppt zu werden. Gott macht – so klingt es an vielen Stellen – nichts, außer seinen Schutz zurückzuziehen.

Gleichzeitig verhindert Gott das Allerschlimmste: „Wenn ihr ihn aufrichtig und ernsthaft sucht, werdet ihr ihn finden… Denn der HERR, euer Gott, ist barmherzig“ (5. Mose 4,29-31). Diese Erzählungen zeigen, dass Fehler und Konsequenzen uns oft intensiver prägen, als reine Verbote oder Mahnungen es könnten. Auch bei unseren Kindern können wir überlegen, ob es möglich ist, natürliche Folgen eintreten zu lassen, ohne sie zu gefährden. Vergisst ein Kind seine Jacke, kann das Frieren es daran erinnern, das nächste Mal besser aufzupassen. Solche Erfahrungen können eine tiefere Wirkung entfalten als Strafen.

Logische Folgen arrangieren

Logische Konsequenzen sind eine klare Möglichkeit, um das Verhalten eines Kindes mit seinen unmittelbaren Folgen zu verknüpfen. Ein Beispiel: Ein Kind, das seine Zähne nicht putzt, bekommt am nächsten Tag keine Süßigkeiten, oder ein Kind, das ständig auf die Straße rennt, muss an der Hand der Eltern bleiben. Diese Konsequenzen verdeutlichen, dass Handlungen direkte Auswirkungen haben. Diese Folgen sind von natürlichen Konsequenzen abgeleitet.

Der Vorteil ist, dass Kinder leichter erkennen können, dass die Konsequenz nicht aus einer willkürlichen Strafe der Eltern resultiert, sondern eine natürliche Reaktion auf ihr Verhalten ist. Es ist jedoch wichtig, dass diese Konsequenzen verständlich erklärt werden, damit das Kind den Zusammenhang zwischen Verhalten und Folge nachvollziehen kann. Eltern sollten sich immer wieder fragen: „Habe ich die Konsequenz klar und verständlich erklärt, damit mein Kind den Zusammenhang zwischen Verhalten und Folge erkennen kann?“ In vielen Fällen ist es nicht möglich, lange nachzudenken, und es bedarf spontaner Reaktionen. Aber wenn es sich anbietet, sind durchdachte, logische Konsequenzen besonders effektiv.

Wiedergutmachung

Die Wiedergutmachung geht einen Schritt weiter: Sie ermöglicht es dem Kind, den Schaden, den es angerichtet hat, zu erkennen und zu beheben. Ein Kind, das beispielsweise das Spielzeug eines Freundes beschädigt hat, könnte es durch ein eigenes Spielzeug ersetzen oder das Chaos im Zimmer aufräumen.

Diese Form der Erziehung zeigt dem Kind, welche Folgen sein Handeln für andere hat. Im besten Fall fördert es Empathie und und vermittelt, welche Arbeit und Mühe mit seinem Handeln verbunden waren. Manchmal ist es nicht möglich, den Schaden vollständig zu beheben, aber das Kind lernt, Verantwortung zu übernehmen und den anderen zu trösten oder Freude zu bereiten. Es denkt zumindest einmal darüber nach, wie ein Schaden gutgemacht werden kann.

Wiedergutmachung ist eine wertvolle Erziehungsmaßnahme, da sie dem Kind zeigt, wie Beziehungen wiederhergestellt werden können. Es lernt, wie man sich nach einem Fehler verhält.

Strafe

Der Begriff „Strafe“ wird oft negativ betrachtet, da er häufig mit unangemessenen, willkürlichen Handlungen verbunden wird. Für manche Pädagogen ist alles, was sinnvoll ist und das Folge mit dem Fehlverhalten verknüpft eine „logische Konsequenz“, während der Begriff „Strafe“ auf alles bezogen wird, was unpädagogisch ist.

Als Konsequenzen von Fehlverhalten sind „logische Folgen“ oder „Wiedergutmachung“ sicher besser. Dennoch müssen Eltern oft einfach spontan reagieren, auch wenn sie nicht immer die perfekte Lösung haben. Sie können nicht tatenlos zusehen, wie das Kind ein anderes verprügelt, nur weil ihnen grade keine sinnvolle Konsequenz einfällt. Und natürlich werden sie, wenn es die Situation irgendwie zulässt, erklären warum sie gehandelt haben.

Ob eine logische Konsequenz, eine Wiedergutmachung oder eine andere Maßnahme sinnvoll ist, hängt von der jeweiligen Situation ab. Wichtig ist, dass die Kinder lernen, Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen und die Auswirkungen ihres Handelns zu erkennen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Eltern haben die Aufgabe, das Verhalten ihres Kindes zu beurteilen und müssen in manchen Fällen entgegenwirken. Durch gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen versuchen Eltern, Erzieher oder Lehrkräfte unerwünschtes Verhalten zu reduzieren.

Durch gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen versuchen Eltern, Erzieher oder Lehrkräfte unerwünschtes Verhalten zu reduzieren. Sie reagieren, wenn das Kleinkind ein anderes kratzt oder beißt. Sie handeln, wenn Kinder andere schlagen, mobben oder respektlos behandeln.

Eltern wählen sanfte, aber wirksame Methoden, um ihr Kind zu erziehen. Wenn ein Gespräch ausreicht und das Kind sein Verhalten ändern kann, ist eine Strafe nicht notwendig. Manchmal sind die natürlichen Konsequenzen schon schmerzhaft genug, da müssen Eltern nicht eingreifen. Niemand, der am Boden liegt, braucht einen Tritt. Und doch braucht es Maßnahmen, die etwas bewirken.

Die Grundlagen der gegenwirkenden Erziehungsmaßnahmen

Immer wichtig: Gespräche, Ermahnungen, Folgen aufzeigen

Kinder sollen nicht nur Dinge lassen, sondern auch verstehen, dass ihre Taten Konsequenzen haben. Wenn man seine Zähne nicht putzt, bekommt man Zahnschmerzen. Ohne Ausbildung wird es schwer, Arbeit zu finden. Daher ist es wichtig, Kindern die Konsequenzen ihres Handelns zu erklären.

Auch König Salomo betonte die Bedeutung von Einsicht und ermutigte seinen Sohn, klug zu sein und Weisheit zu sammeln, um sich zu schützen (Sprüche 2,11; 4,5; 5,1). Genau das werden sie nicht immer tun. Oft werden Kinder „stur“ bleiben, auch wenn wir ihnen die Zusammenhänge noch so gut erklären. Andere Male sind sie einsichtig und ein Gespräch ist völlig ausreichend.

Manchmal ist es angebracht, das Gespräch in einem ruhigen späteren Moment zu führen. Nachdem sich die ersten Emotionen beruhigt haben, geht es dann vielleicht besser. Und doch sollte es zeitnah passieren. Langes Diskutieren führt zu einem Schlagabtausch, bei dem sich Positionen verfestigen. Es geht nicht darum, auf ein Kind einzureden. Aber das Gespräch ist unumgänglich. Teilweise wirkt es für sich. Andere Male begleitet es andere Erziehungsmaßnahmen. Auch wenn das Kind nicht zugibt, die Sache einzusehen – manches wirkt trotzdem nach. Nur wenn Einsicht am Ende der Erziehungsmaßnahme steht, ist das Verhalten verinnerlicht. Genau darum ist das Gespräch so wesentlich.

Königsweg: Wiedergutmachung

Die Wiedergutmachung zeigt dem Kind: „Einen Schaden, den du angerichtet hast, kann man beheben.“ Das ist zwar nicht immer möglich, in einigen Fällen aber doch. Macht ein Kind den Turm eines anderen kaputt, kann es ihn wieder aufbauen. Das Kind sieht, welche Arbeit damit verbunden war, lernt sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen und nebenbei selbst eben auch einen Turm zu bauen. Andere Beispiel sind: Das Kind beschädigt das Spielzeug eines Freundes und ersetzt es durch ein eigenes Spielzeug. Das Chaos im Zimmer wird aufgeräumt. Immer lernt das Kind, welche Folgen das eigene Handeln hatte.

In vielen Fällen ist eine Wiedergutmachung nur begrenzt möglich. Fügt es einem anderen Kind Schmerzen zu, kann es trösten und den Schmerz erträglich machen. Es kann überlegen, wie es eine Freude bereiten kann und was dem anderen guttut. Den Schmerz wegzunehmen ist nicht möglich, aber die Folgen des Handelns zu sehen, zu verstehen und damit umzugehen.

Wenn es die Situation zulässt, ist diese Erziehungsmaßnahme in jedem Fall sinnvoller, als dem Kind einfach eine schmerzhafte „Strafe“ zukommen zu lassen. Was nutzt es dem Opfer, wenn das Kind zwei Tage Hausarrest hat oder nicht fernsehen darf? Und was lernt das Kind dabei? Umgekehrt lernt es durch die Wiedergutmachung, wie zerbrochene Beziehungen wieder besser werden können, wie man sich verhalten kann, wenn man einen Fehler gemacht hat und eine ganze Menge Einfühlungsvermögen.

Der erste Schritt auf das Opfer zuzugehen ist für das Kind oft schwer. Aber genau das ist es doch, worum es auch Christen geht: Schuld eingestehen, zu bekennen, das Opfer um Vergebung zu bitten und einen Schaden so gut es möglich ist wieder auszugleichen.

Nicht schlecht: Natürliche Folgen eintreten lassen

Braucht es wirklich immer eine Strafe? Oder ist das Kind nicht genug gestraft, wenn es die Folgen seines Handelns spürt?

Sogar Gott lässt sein Volk die Folgen seines Handelns spüren, ohne dem etwas hinzuzufügen. Er zieht einfach seinen Schutz vorübergehend und in begrenztem Umfang zurück. Israel erlebt die Folgen seines Handelns. Die Feinde fallen über das Volk her. Aber auch wenn das passiert, vergisst Gott sein Volk nicht. Er hilft ihm wieder auf und holt es zurück (5. Mose 4,29-31).

Es tut weh, wenn ein Kind etwas verliert, weil es nicht aufpasst, oder friert, weil es nicht warm genug angezogen ist. Manches wollen wir verhindern, obwohl die Erfahrung für das Kind einen nachhaltigen und intensiven Lerneffekt hätte.

Nicht jede Erfahrung können wir das Kind machen lassen. Läuft es auf die vielbefahrene Schnellstraße, ist das Risiko einfach zu groß. Wo die Grenze liegt, müssen Eltern sorgfältig abwägen. Und manchmal sind die Folgen für die Eltern zu anstrengend, wenn sie z.B. die schlechte Laune ihres Kindes am nächsten Tag aushalten sollen, weil es nicht ins Bett geht. Natürliche Folgen eintreten zu lassen ist keine Universallösung und doch in vielen Fällen eine Möglichkeit, die unterschätzt wird.

Bei dieser Erziehungsmaßnahme ist es ratsam, auf belehrende Kommentare nach dem Motto „Siehst du, das hast du davon“ zu verzichten, wenn die Maßnahme erfolgreich sein soll. Das Kind kann sich dann mit der Sache an sich beschäftigen, anstatt sich auf einen Konflikt mit den Eltern zu konzentrieren. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, als ob man es schon immer besser gewusst hätte.

Manchmal notwendig: Logische Folgen arrangieren

Logische Folgen sind von natürlichen Folgen abgeleitet. Eltern setzen sie ein, um das Kinderverhalten zu beeinflussen. Wenn ein Kind nicht die Zähne putzt, bekommt es keine Süßigkeiten oder zuckerhaltigen Getränke. Ein kleines Kind, das immer auf die Straße rennt, muss die Hand der Eltern halten. Wenn man abends zu lange wartet, verpasst man die Gute-Nacht-Geschichte. Das Handeln der Eltern steht in einem direkten Zusammenhang mit dem Verhalten des Kindes.

Die Erziehungsmaßnahme hat gegenüber zusammenhanglosen Strafen den Vorteil, dass die Folgen vom Kind eher auf die eigene Handlung zurückgeführt werden können. Es wird deutlich, dass die Folge mit dem eigenen Verhalten zusammenhängt und nicht einfach ein willkürliches Machthandeln von Erziehenden ist.

Und doch wird es von Kindern oft genauso wahrgenommen. Darum können wir unsere Maßnahme nicht alleine daran messen, ob das Kind sie als angemessen anerkennt. Eine logische Folge erhöht die Wahrscheinlichkeit und ist darum die Alternative der Wahl gegenüber einer zusammenhanglosen Strafe, wenn es irgendwie möglich ist. Und doch ist der Grad manchmal schmal zwischen der „logischen Folge“ und der „Strafe“.

Umstritten: Strafe

In der Pädagogik ist der Begriff „Strafe“ oft negativ behaftet, da er heute oft mit einem willkürlichen „wehtun“ von Erziehenden verbunden wird. Und doch werden alle gegenwirkenden Erziehungsmaßnahmen unangenehm sein. Wer will schon seinen Schaden sehen und „wiedergutmachen“? Wer möchte Folgen seines Handelns spüren?

Eigentlich war es schon immer so, dass die „Strafe“ aus pädagogischer Sicht mit dem „Fehlverhalten“ irgendwie in einer Verbindung stehen sollte. Früher wurde das als „sinnvolle“ Strafe gesehen. Heute wird der Begriff „Strafe“ oft enger verstanden. Alles was unpädagogisch, zusammenhanglos und lieblos ist, wird als Strafe bezeichnet. Das heißt aber nicht, dass es aus pädagogischer Sicht richtig ist, alles laufen zu lassen.

Klar ist: Erziehende haben den Auftrag, Fehlverhalten entgegenzuwirken. In Kindergärten oder Schulen passiert das automatisch, anders funktioniert es schließlich nicht. Die gewählten Mittel sind vom Kind, von der Situation und von Erziehenden abhängig. Es gibt keine Pauschalempfehlungen. Sinnvoll ist es abzuwägen: Ist eine Wiedergutmachung möglich? Ist es verantwortbar, das Kind die Handlungsfolgen spüren zu lassen? Gibt es logische Konsequenzen, die in einem direkten Zusammenhang mit dem Fehlverhalten stehen? Oder müssen andere Mittel gewählt werden?