Menschenbild
Basilius von Cäsarea entfaltet ein Menschenbild, nach dem der Mensch eine Sehnsucht nach Gott in sich trägt. Diesen Funken gilt es zu entfalten. Erziehung dient dazu, den „Funken des göttlichen Verlangens“ in dem Maß zu wecken, in dem der Heilige Geist die Kraft dazu gibt (Basilius von Cäsarea, 2021, 24).
Das Gebot der Gottesliebe zeigt, dass der Mensch die Kraft zu lieben von Gott als Grundausstattung erhalten hat (S. 26). Von Natur aus sehnt sich der Mensch nach dem Guten, Schönen und somit nach Gott selbst. Weiterhin hat der Mensch von Anfang an einen natürlichen Drang zu seinen Erzeugern – seien es nun die Eltern oder letztlich Gott selbst. Weiterhin liebt der Mensch denjenigen, der ihm Gutes tut. Gott selbst lässt ihn Sonnenaufgänge sehen, schafft Wetter, Meer, Jahreszeiten, Wolken und die verschiedensten Tiere. Alles das sind Gaben, die er dem Menschen gibt (S. 29).
Weitere Aspekte des Menschen sind:
- Vernunft und Potenzial zur Gotteserkenntnis: Dass der Mensch nach seinem Bild geschaffen ist, ist die Grundlage für seine Gotteserkenntnis. Der Mensch ist im Unterschied zum Tier mit Vernunft ausgestattet (S. 31). Diese Vernunftbegabung befähigt ihn auch, „nach dem Himmel zu streben“ (S. 35).
- Geselliges und soziales Wesen: Der Mensch ist auf Gemeinschaft angelegt. Meschen haben die Fähigkeit einander zu Unterstützen und zu lieben – das ist wiederum die Basis, dass Jesus seinen Jüngern ein „neues Gebot“ gibt, nämlich einander zu lieben (Joh 13,34; S. 32).
- Würde: Die Würde des Menschen basiert darauf, dass er nach Gottes Ebenbild geschaffen ist (Gen 1,27; S. 36). Dadurch hat er auch die Kraft, seinen Schöpfer und Bildner zu erkennen und anzuerkennen.
Im Unterschied zum Menschen ist das Tier vernunftlos, kann seine eigene Beschaffenheit nicht erkennen oder die Taten des Schöpfers als solche wahrnehmen.
Erziehungskontext und Herausforderungen
Basilius von Cäsarea setzt sich mit einer Erziehung in einem nichtchristlichen Bildungssystem auseinander. Er befürwortet die Teilnahme von Christen daran, obwohl sie zu seiner Zeit nicht in Form einer Schulpflicht vorgeschrieben war. Gleichzeitig mahnt er seine Schüler, nicht alles kritiklos zu übernehmen. Das „Nützliche“ gilt es aufzunehmen (S. 47). Als Beispiel führt er Mose an, der in Ägyptischen Wissenschaften unterwiesen wurde (Apg. 7,22) oder Daniel, der in Babylon in der Weisheit der Chaldäer belehrt war (Dan 1,17; S. 50). Die heidnischen Wissenschaften sind aus seiner Sicht also nützlich.
Auch in heidnischen literarischen Werken, gibt es vorbildhafte Charaktere. Hier gilt es zu unterscheiden zwischen „schlechten Männern“, die in den Erzählungen und Mythen auftauchen, und „guten Vorbildern“, die durchaus auch in den griechischen Sagen vorkommen (S. 51). Der Schüler soll urteilen, wem er folgt. Wie beim Pflücken von Rosen die Dornen vermieden werden, gilt es für christliche Schüler bewusst zu prüfen, was sie aufnehmen wollen (S. 53). Das ausschweifende Leben gilt es nicht zu übernehmen. Andererseits lehren auch zahlreiche Werke gute Werte, nämlich von Rache abzusehen, Milde oder Treue. Das entspricht auch der Lehre Jesu (S. 59-60).
Letztlich ist das Ziel entscheidend. Wie ein Schiff auf einen Hafen zusteuert und ein Schütze ein Ziel anvisiert, hat der Christ eine ewige Heimat als Ziel. Ein Sportler erreicht sein Ziel nicht, wenn er sich von Musikspielen ablenken lässt und ein Musiker erreicht keine Virtuosität, wenn er sich von Sportplätzen aufhält. Ebenso hat der Christ ein Ziel. Er dreht „jeden Stein“ um, um zu prüfen, ob etwas „Brauchbares zur Erreichung des Zieles“ zu finden ist. Es wäre einfach zu schade, wenn er den vergeudeten Chancen nachtrauern, wenn es „keine Zeit mehr gibt“ (S. 71).
Ablenkungsfaktoren auf dem Weg zu dieser ewigen Heimat gibt es viele:
- Körperliche Begierden: Der Mensch ist frei, wenn er sich davon nicht gefangen nehmen lässt. Die notwendige Nahrung ist gut. Wer seinen Bauch mit „genussvoller Nahrung“ füttert, ist wie ein Koch, der sich nur um gutes Essen kümmert und seinem „launischen Herrn“ einen „Tribut“ zahlt. Der Bauch ist wie ein löchriges Fass, das nie gefüllt wird (S. 64).
- Exzessive Sorge um Schönheit: Für einen vernünftigen Menschen ist Kleidung eine Notwendigkeit. Sie hilft ihm, sich vor Hitze und Kälte zu schützen. Wer „für Frisur und Kleidung mehr als das Notwendige tut“, ist unglücklich und ungerecht (ebd.).
- Sehnsucht nach Lob und Anerkennung: Wer dazu neigt, wird seine Ansichten und Meinungen immer anpassen und hin- und herschwanken (S. 70).
Basilius weist darauf hin, dass der Mensch nicht wie ein Tier nur für seinen Bauch leben muss. Er hat von Gott andere Möglichkeiten bekommen. Wer nach seinen Leidenschaften lebt, ist ein Mensch ohne „festen Halt“ und wird „immer noch mehr“ bauchen. Andererseits kann der Mensch „fei von dem Verlangen reich zu sein“ werden (S. 68). Wer arm ist, soll sich nicht nach Besitz sehnen. Wer reicht ist soll den Reichtum erst bewundern, wenn er verstanden hat, ihn „gut“ zu verwenden (S. 69). Einen weiteren Faktor, der vom Ziel ablenkt, nennt Basilius:
Rolle der Erziehenden
Aufgabe von Erziehenden ist es nicht nur, ihren Kindern das Evangelium zu schenken, sondern auch ihr eigenes Leben. Vorbild ist dafür Paulus, der sich mit seinem Leben den Gemeinden und seinen geistlichen Kindern hingibt und sie umsorgt (1. Thess 2,7-8; S. 93). Erziehenden ist der Dienst am Wort anvertraut, darum gilt es „zur Auferbauung der Seelen“ bereit zu sein und auch im Privatgespräch den gesunden Glauben und eine wahre Lebensordnung gemäß des Evangeliums vermitteln zu können (S. 94).
Erziehung ist weiterhin eine nützliche Schulung für die Seele, um sie vom Bösen zu reinigen und mit Charakterschwächen umzugehen. Einsichtige Kinder weisen diese Erziehung nicht zurück, sondern suchen sie geradezu. Basilius zitiert Sätze aus den Propheten, wie „Die Erziehung des Herrn öffnet meine Ohren“ (Jes 50,5) oder „Erziehe mich, Herr, aber in rechtem Maß und nicht im Zorn“ (Jer 10,24). Im Neuen Testament findet er Verse, wie „Wer ist der Sohn, den der Vater nicht erzieht?“ (Hebr 12,7).
Schmerzhafte Erfahrungen werden ebenfalls als hilfreiche Erziehung angenommen. Der Gedanke aus 2 Kor 6,9 schwingt mit: „Wir werden erzogen, aber nicht dem Tode preisgegeben“ (S. 97). Eine Wertschätzung des Kindes schwingt mit.
Erziehungsprozess und Mittel
Der Weg beginnt mit der „Furcht des Herrn“ als Anfang der Erkenntnis, der für „irdisch gesinnte“ Menschen tatsächlich angsthaft besetzt sein kann. Darauf basierend erfolgt die Einführung in ein christliches Leben. Die Liebe führt, nach der Vorbereitung durch die einsichtige Furcht, zur Vollkommenheit.
Basilius erläutert wesentliche Aussagen des Neuen Testaments: Jesus Christus hat die Macht zu richten (Joh 17,2), wird Verborgenes ans Licht bringen (Röm 2,16) und weist Menschen am Tag des Gerichts zurück (Mt 25,41). Die Grundlage dieses Gerichts sind aber nicht negative Werke, sondern dass gute Werke ausbleiben und so die Gebote von Jesus missachtet wurden (ebd., S. 99f.).
Nicht jede Furcht ist gut und heilsam. Die schlechte Furcht ist etwa die Angst vor dem Tod oder vor dem Ansehen anderer Menschen. Diese Ängste habe nicht die Kraft, im Augenblick des Martyriums bis in den Tod hinein die Sünde zurückzuweisen und Jesus Christus treu zu bleiben. Auch Ängste vor Dämonen sind nicht heilsam. Die heilsame Furcht bewirkt hingegen Heiligung (S. 101f.).
Die Pädagogik Gottes ist (1) das Betrachten des Gesetzes, als Schatten künftiger Dinge. Dann folgen (2) prophetische Vorausbilder als „Rätselbild“ und schließlich (3) das „Geheimnis verborgener Weisheit“. Erst dieser Weg ermöglicht es, nicht vom vollen Licht geblendet zu werden (S. 113).
Weiterhin geht es um eine Annäherung an den einwohnenden Heiligen Geist, indem „wir uns vom Schmutz reinigen“. Dadurch kehrt der Mensch „zu der Schönheit zurück“, die ihm von Natur eigen ist und gewinnt die ursprüngliche Gestalt wieder. Wie „helle und durchscheinende Körper, wenn sie von einem Lichtstrahl getroffen sind“, beginnt er „selbst zu leuchten“. Sie sind vom Geist erleuchtet, selbst geistlich geworden und strahlen Gnade auf andere Menschen aus (S. 120).
Gott selbst nutzt die Schöpfung als Erziehungsmittel. Durch die Betrachtung der Größe, Schönheit und Prinzipien des Geschaffenen, wird der Schöpfer erfasst. Jedes Werk lobt ihn, alles ist für eine Zweckmäßigkeit geschaffen und für gut befunden (S. 114f.). Ein weiteres Erziehungsmittel sind Bedrängnisse. Paulus, der selbst aus seiner Heimat vertrieben, von Stammesgenossen und Familie entfremde, seines Besitzes beraubt und gewaltsam den Feinden ausgeliefert ist, lobt dieses Erziehungsmittel. Es bewirkt Geduld, Bewährung und Hoffnung (Röm 5,3-4; S. 116f.). Das Böse schafft Gott nicht, um zu bestrafen. Vielmehr dient es der Erziehung, der Bekehrung, des Erkennens des Guten.
Der Reinigung der Seele dient auch Musik. Die Lieder Davids haben bereits zu seinen Lebzeiten Menschen von Schwermut befreit. Nicht alles Musik ist hilfreich. Der Heilige Geist erzieht durch Psalmen regelrecht. „Er mischte die Süße der Melodien die rechte Lehre bei, damit wir durch den angenehmen und milden Klang unbemerkt die nützlichen Inhalte der Worte aufnähmen“ (S. 118). Als Vergleich nutzt er die bittere Medizin, die mit Honig gegeben wird. Psalmen können zu Hause und öffentliche gesungen werden. Die Erregtheit der Seele weicht. Musik vertreibt Dämonen, sie dient als Waffe gegen Ängste, ist Schutz der Kinder, Trost der Alten und Schmuck für Frauen (S. 119).
Erziehungsziel
Der Mensch ist glücklich, wenn er sich unverlierbare Güter sammelt. Gott selbst ist das wahre Brot und die Speise (Ps 34,9). Von ihm zu kosten, führt zu Hunger und Durst nach mehr und nach Gerechtigkeit (Mt 5,6). Wer von Liebe erfüllt wird und die Schönheit betrachtet, vergisst Haus und besitz und körperliche Bedürfnisse des Essens und Trinkens, während er der göttlichen Liebe hingegeben ist (S. 105).
Die Mühe des Lebens lohnt sich. Der gute Wettkämpfer kommt zum Ziel. Paulus weiß, dass er den guten Kampf gekämpft hat und der Kranz der Gerechtigkeit bereitliegt (2 Tim 4,7f). Der Psalmbeter kann die ewige Ruhe erwarten, nachdem er im Leben den Regeln gemäß gekämpft hat (Ps 116,7; S. 107). Die Ruhe ist dabei kein „Verdienst von Werken“, sondern wird ihm aufgrund von „Gnade Gottes“ zuteil, weil der Mensch „auf ihn gehofft“ hat (ebd.).
Basilius beendet den Abschnitt, indem er das Land als Land ohne Nacht beschreibt (die Nacht stellt ein Bild des Todes dar), ohne Hunger und Durst (diese Bedürfnisse zeigen die Schwachheit auf), ohne Krankheit, Schmerzen oder Medikamente. Weiterhin gibt es keine Gerichtshöfe, Märkte, Künste oder Geld (das Geld sieht er als Anfang des Übels und Ursache vieler Kriege). „Es ist das Land derer, die wahrhaft das Leben in Christus Jesus leben“ (S. 108).
Jesus Christus wird als derjenige Vorgestellt, der vom Himmel bis in die äußerste Niedrigkeit herabgestiegen ist. Als Kind in einer Krippe, Sohn eines Zimmermanns und einer armen Mutter. Er verzichtet auf den Gebrauch seiner Macht, hätte seine Ankläger mühelos wiederlegen können und stirbt stattdessen einen schmachvollen Tod. Die ersten Jünger haben Anteil daran, sind arm und nackt durch die Welt gezogen, wurden nicht mit Redekunst ausgestattet, sondern gingen allein, umherirrend und einsam durch das Land, um dann gesteinigt, verfolgt und getötet zu werden. „Dies sind für uns vöterliche und göttliche Unterweisungen. Diese wollen wir nachahmen“ (S. 110).