Glaube und Bindung – aus wissenschaftlicher Sicht

Der Zusammenhang zwischen einer sicheren Bindung und Glaube wurde wissenschaftlich intensiv untersucht. Das Bindungsmuster entwickelt sich vor allem im ersten Lebensjahr, wirkt sich aber bis ins Erwachsenenalter auch auf den Glauben aus.

Menschen, die eine hohe Bindungsangst aufwiesen, entwickelten sich auch in ihrem Glauben langsamer.1 Sichere Bindung ging mit höheren Stufen des Glaubens einher. Auch wenn das in der Untersuchung verwendete Stufenkonzept kritisch zu betrachten ist, zeigt sich doch, dass sich sicher gebundene Menschen stärker mit ihrem Glauben auseinandersetzen.

In einer anderen Studie wurde festgestellt, dass die Skalen „Vermeidung von Intimität und Angst vor Verlassenheit“ und fehlende „Bindung an Gott“ eng zusammenhingen. Wer seinen Mitmenschen gegenüber nicht bindungsfähig ist, hat oft auch eine höhere Distanz zu Gott.2 Christliche Eltern haben darum ein doppeltest Interesse, ihren Kindern eine sichere Bindung zu ermöglichen. Dadurch werden sie beziehungs- und glaubensfähig.

Eine gute Bindung hilft Menschen später in jedem Alter, mit Krisen im Leben umzugehen. In einer kleinen Studie nach der Flut in Lousiana im Jahr 2016 wurde untersucht, wie sich die Katastrophe für Betroffene auf die Beziehung zu Gott auswirkte. Bei 85% der Betroffenen wurde die Beziehung gestärkt oder blieb gleich. 15% sagten, die Katastrophe habe einen negativen Effekt auf ihren Glauben gehabt. Katastrophen aktivieren das Bindungssystem. Eine gesunde Bindung verbunden mit christlichen Glauben, kann die Gottesbeziehung in diesen Situationen stärken. Gott ist gewissermaßen eine starke und weise Bindungsfigur, perfekter als jeder Vater und jede Mutter, die als Quelle von Liebe, Trost und Hoffnung fungiert.3

Die Bindungstheorie besagt, dass Kinder ihre frühkindlichen Erfahrungen in sogenannten „Internal Working Models“ verinnerlichen. Diese Modelle beeinflussen ihre spätere psychische und emotionale Entwicklung. Demnach ist die erste Erfahrung mit Eltern entscheidend.

Kinder, die unterstützende Elternreaktionen auf Stress erleben, entwickeln sich sicherer und haben mehr Vertrauen in elterliche Unterstützung. Inkonsistente Erfahrungen können zu ambivalenten oder vermeidenden Bindungen führen, mit anhaltendem Bedürfnis nach Nähe oder Unterdrückung negativer Emotionen. Als Erwachsene sind sie dann entweder sehr unabhängig, selbständig und einsam. Sie haben gelernt, ihre Probleme alleine ohne Unterstützung anderer zu lösen. Oder sie sind andererseits klammernd, wechselhaft und haben ein kontinuierliches Bedürfnis, ihre Annahme bei anderen bestätigt zu bekommen. Laut Bowlby entwickeln sich diese Unterschiede früh in der Kindheit und prägen die Lebensentwicklung.

Sicher sind Bindungsmuster veränderbar. Auch die Beziehung mit Gott kann dabei wesentlich sein. Die Beziehung kann gewissermaßen als Mittel zur Bewältigung früher unsicherer Bindungserfahrungen helfen4. Und doch ist die Beziehung kein Mittel zum Zweck. Für Eltern zeigt das die Wichtigkeit, ihre Kinder zu unterstützen. Dadurch können sie ein sicheres Bindungsmuster entwickeln. In Verbindung mit einer bewussten Entscheidung die Kinder im christlichen Glauben zu erziehen, sind das die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Leben mit Gott.

  1. Hart, J. T., Limke, A., & Budd, P. R. (2010). Attachment and Faith Development. Journal of Psychology and Theology, 38(2), 122-128. https://doi.org/10.1177/009164711003800205 ↩︎
  2. Beck, R., & McDonald, A. (2004). Attachment to God: The Attachment to God Inventory, Tests of Working Model Correspondence, and an Exploration of Faith Group Differences. Journal of Psychology and Theology, 32(2), 92-103. https://doi.org/10.1177/009164710403200202 ↩︎
  3. Davis, E. B., Kimball, C. N., Aten, J. D., Hamilton, C., Andrews, B., Lemke, A., Hook, J. R., Captari, L., Granqvist, P., Hook, J. N., Davis, D. E., Van Tongeren, D. R., Cattrell, E. L., Cuthbert, A. D., & Chung, J. (2019). Faith in the wake of disaster: A longitudinal qualitative study of religious attachment following a catastrophic flood. Psychological Trauma: Theory, Research, Practice, and Policy, 11(6), 578–587. https://doi.org/10.1037/tra0000425 ↩︎
  4. Counted, V. (2016). The Psychology of Youth Faith Formation: A care-giving faith?. Journal of Youth and Theology, 15(2), 146-172. https://doi.org/10.1163/24055093-01502004 ↩︎