Biblische Basis

Die Bibel ist die Lebensquelle von Christen und Grundlage einer christlichen Erziehung. Aber wie ist das gemeint? Um welche Texte geht es überhaupt? Und wie lassen sie sich auf heute übertragen?

Jedes Kind, jede Mutter, jeder Vater und jede Erziehungssituation ist einzigartig. Es gibt keine Pauschalrezepte. Christliche Erziehung wird bei allen Herausforderungen Jesus Christus selbst in den Mittelpunkt stellen – seine Göttlichkeit, ihn als Mensch und sein Werk am Kreuz. Klar ist: Für die „christliche“ Erziehung ist Jesus Christus das Zentrum. Eine Erziehung, die nicht zu Jesus Christus führt, ist allenfalls eine Werteerziehung, möglicherweise sogar eine „biblische“ Erziehung aber keine „christliche“ Erziehung. Also: Nur ein paar Verse aus dem Alten Testament – das reicht nicht für eine christliche Erziehung.

Der Heilige Geist ist unser Ratgeber in konkreten Situationen. Um seine Stimme von anderen unterscheiden zu können, müssen wir uns immer wieder neu eichen: An Jesus Christus, wie er uns in der Bibel beschrieben wird. Um Christus zu erkennen brauchen wir die Bibel. Woher sonst wissen wir etwas über ihn? Also forschen wir darin. Ganz konkret finden wir in der Bibel folgende Aspekte, die uns helfen zu erkennen, worum es bei christlicher Erziehung geht.

1. Aussagen über den Menschen: Biblische Anthropologie

Zunächst einmal: In der Bibel stehen Lebensgeschichten im Vordergrund. Die Bücher heißen nicht systematisch: „Lehre der Errettung“, „Pneumatologie“ und „Anthropologie“. Stattdessen heißen sie „Mose“, „Josua“, „Ruth“ im Alten Testament oder „Markus“, „Matthäus“ und „Lukas“ im Neuen Testament. Dahinter steckt aber mehr, denn auch in diesen Büchern werden Geschichten von Menschen und ihrem Leben erzählt. Dass die Bücher so heißen, ist kein Zufall. In ihnen geht es um Einzelsituationen und Erfahrungen mit Gott.

Dennoch verbergen sich in den biblischen Geschichten auch allgemeingültige Aussagen und wichtige Erkenntnisse über den Menschen. Wer ist er? Wo kommt er her? Was ist der Lebenssinn? Und wo geht er hin? Wer erzieht und somit Ziele für einen anderen Menschen setzt, kommt nicht drumherum, sich mit anthropologischen Fragen auseinanderzusetzen. Wer ist das Kind? Wohin soll es geprägt werden? Wo liegen die Grenzen der Erziehung?

Die Bibel ist weder ein medizinisches Fachbuch oder eine technische Anleitung, noch ein systematischer Erziehungsratgeber. Stattdessen sagt sie aber viel über den Menschen und das Wesen des Kindes. Alles war über den Menschen gesagt wird, hat auch irgendwie mit dem Kind und seiner Entwicklung zu tun. Und genau darum geht es auch der Erziehung.

In der Bibel finden wir Beispiele für elterliche Erziehung. Es gibt spannende Dynamiken in den Familien von Adam und Eva, bei den Kindern von Abraham und Sarah oder bei Jakob und seinen Frauen. Auch aus den Familien von König David, Josef und Maria lassen sich Einblicke in familiäre Beziehungen und Erziehung zu gewinnen. Und die perfekte christliche Familie nach biblischem Vorbild?

Auch wenn die Bibel kein systematischer Erziehungsratgeber ist, hat sie viel über den Menschen, auch über das Kind und sein Wesen zu sagen. Das ist der Kern, um den es geht, wenn wir uns über Erziehung Gedanken machen.

2. Gott und sein erstes Kind: Das alte Testament

Wenn es bei christlicher Erziehung im Kern um „Christus“ geht: Geht es dann nur um die Evangelien? Nach christlicher Überzeugung führt die ganze Schrift zu Jesus Christus hin. Darum sprechen auch alttestamentliche biblische Texte über Christus und christliche Erziehung.

Das Alte Testament hat christlichen Eltern viel zu sagen, wenn sie sich klarmachen, dass es da um die Beziehung zwischen einem Vater und einem Kind geht. Der Vater ist perfekt. Und er hat einen „erstgeborenen Sohn“. So wir das Volk Israel in 2. Mose 4,22 bezeichnet. Und diesem tollen Vater wollen wir es nachmachen.

„So spricht der HERR: Israel ist mein erstgeborener Sohn“

2. Mose 4,22 (Luther 2017)

Gott ist also unser Vorbild, dem wir nacheifern. Das Kind im Alten Testament fällt immer wieder auf die Nase und rennt trotz aller Warnungen in sein Unglück. Gott als liebevoller Vater geht ihm geduldig nach. Manchmal beschützt er es, andere Male lässt er die Erfahrung zu. Und immer wieder ist er da, um sein Kind zu retten.

Es lohnt sich, das Alte Testament auch flächenhaft zu lesen. Vielleicht von der YouVersion-App einmal vorlesen zu lassen? Wir bekommen einen Eindruck von Gott, seinem Wesen und seiner Art. Reißen wir einzelne Verse heraus, wirkt das oft ganz anders, grausamer und unpassender. Wenn wir das Alte Testament nicht kennen, können uns Skeptiker schnell verunsichern, weil wir Gott nicht kennen. Aber wenn wir das ganze Alte Testament lesen, bekommen wir einen Eindruck von dem Denken dieser Zeit und Gottes Wirken darin.

Die Texte sind in unterschiedlichen Situationen und Epochen geschrieben sind. Ja, wir müssen die Zeit und den Kontext beachten. Wir können sie nicht einfach herausreißen und so tun, als ob alles noch wie früher ist. Aber: wir suchen als Christen nach dem, was sich vergleichen und übertragen lässt. Es wäre falsch, sie einfach mit dem Verweis auf ihr Alter und die angeblich gravierenden Unterschiede wegzuwischen. Die Gefahr besteht, dass wir die Texte durch die Brille unseres Zeitgeistes filtern, dem Anspruch an uns ausweichen und nur noch sehen, was wir sehen wollen. Sie sind nicht einfach Geschichten, die naive Menschen aus der Vormoderne aufgeschrieben haben. Und ja: Es geht um einen Anspruch und eine Wahrheit, die darin verborgen ist.

Dass Gott bei der Erziehung seines erstgeborenen Sohnes oft so wenig Erfolg hat, gibt christlichen Eltern Trost, die sich als Versager fühlen: Wenn Gott als perfekter Erzieher solche Misserfolge hat, dann liegt nicht alles an der Erziehung. Selbst die beste Erziehung ist offensichtlich keine Garantie für das Outcome. Es ist also nicht vom Ergebnis beurteilbar, ob eine Erziehung richtig und gut war.

3. Die Geschwister kommen: Das neue Testament

Im Neuen Testament werden Christen auch „Kinder Gottes“ genannt. Gott hat also nicht nur ein Kind, sondern eine ganze Schar an Kindern und mit jedem geht er seinen Weg. Sanft klopft er an die Herzen seiner Kinder, wenn sie Fehler machen wollen. Manche Erfahrungen bleiben den Kindern nicht erspart.

Auch wenn er seinen Kindern den Geist gegeben hat – auch sie machen ihm Sorgen. Und jedes davon ist anders. Gott weiß, was es heißt, Kinder zu erziehen. Seine Kinder sind keine Musterknaben. Trotz dieser Misserfolge ist Gottes Erziehung perfekt. Weitere Aspekte zu Gott als den „vorbildlichen Erzieher“ gibt es hier.

4. Die Perlen: Biblische Einzelaussagen über Erziehung

Bereits im Mosebuch wird über Erziehung gesprochen. Sie hat dort einen hohen Stellenwert. Und das, obwohl Kinder in den umliegenden Kulturen keine Lobby hatten und kaum beachtet wird. Ganz anders in Gottes Volk: Das Passafest wird jährlich gefeiert. Kinder stehen im Mittelpunkt der Festlichkeiten. Sie stellen auswendiggelernte Fragen, die vielen Symbole und festgelegten Speisen helfen ihnen die Geschichte Gottes mit seinem Volk und mit ihnen zu verstehen.

Auch Salomo hat viel zu Erziehung zu sagen. Dabei lebt er in einer ganz anderen Zeit und Kultur. Es ist schwierig, die zeitlose Bedeutung der Texte von ihrer zeitlichen Gestalt zu unterscheiden. Aber das darf und nicht davon abhalten, uns auf diese Texte einzulassen. Gott spricht durch sie zu uns auf besondere Weise ganz persönlich, auch wenn wir ihren tiefen Sinn nicht immer ganz verstehen. Je mehr wir in der Bibel forschen, desto mehr bekommen wir ein Gefühl für das, wie sie gemeint sind.

An vielen Stellen finden sich Aussagen über Erziehung. Sie zu beherzigen reicht aber nicht für eine „christliche“ Erziehung. Es geht bei der christlichen Erziehung nicht darum, irgendwelche Ratschläge zu beherzigen, auch wenn sie in der Bibel zu finden sind, sondern Jesus Christus in den Mittelpunkt zu stellen. Der Kern christlichen Glaubens ist und bleibt die Person Jesus Christus. Insofern ist auch jegliche Auslegung darauf zu prüfen, ob sie christusgemäß ist, ihm entspricht und zu ihm hinführt.

5. Biblische Vorbilder: Eltern die den Weg vor uns gegangen sind

Es ist erstaunlich, aber in der Bibel gibt es kaum gute Vorbilder der Erziehung. Und das, obwohl viele doch große Glaubensväter sind. Denken wir nur an Jakobs Kinder, die ihren Bruder erst töten wollen und dann als Sklaven verkaufen. Noahs Sohn Ham schädigt bewusst den Ruf seines Vaters. Bei den Kindern von Abrahams, dem Held des Glaubens, sieht es nicht besser aus. Und Isaaks Kinder? Der eine verkauft sein Erstgeburtsrecht für eine Suppe, der andere betrügt seinen Vater. Die Glaubensväter und Helden in der Bibel hatten fast immer schwierige Familienverhältnisse. Die Bibel beschönigt und idealisiert sie nicht, sondern erzählt offen von ihnen und ihren Sorgen. Auch Davids Kinder, der als Mann nach dem Herzen Gottes gepriesen wird, haben große Probleme und versuchen ihn sogar zu töten. Und selbst in Jesus‘ Familie lief nicht alles perfekt. Wer also eine christliche Familie nach der biblischem Vorbild erleben will, muss auf Katastrophen gefasst sein. 

Und diese Eltern sind unsere großen Glaubensvorbilder? Warum bilden wir uns ein, dass es bei uns soviel besser klappt? Trotzdem: Es lässt sich vieles davon lernen. Gerade auch von ihren Fehlern. Und darüber, dass Gott die Geschichte letztlich in der Hand hat und nicht irgendwelche fehlerhaften Eltern. Ist unsere Erziehung also vollkommen nutzlos? Nein! Wir haben als Christen einen Auftrag, unser Familienklima zu gestalten. Der Heilige Geist hilft uns dabei. Aber der Mensch ist eben kein Produkt seiner Erziehung. Jeder selbst entscheidet sich für einen Weg mit oder ohne Gott. Glücklicherweise sind wir nicht die einzigen Erzieher. Gott selbst erzieht. Eltern beobachten, beurteilen und machen mit, wo Gott am Wirken ist.

Ursachen für die Entwicklung von Kindern vielfältig. Es geht um ein Zusammenspiel zwischen Kind, Eltern, Erziehung und Gott. In biblischen Erzählungen sehen wir sehr realistisch die Vielschichtigkeit und Komplexität von Familien und Entwicklungen. Weitere Aspekte finden sich hier.

Einzelimpulse

Im Folgenden einige Entdeckungen, die ich in der Bibel über Erziehung gemacht habe.

David – Erziehung des Mannes nach Gottes Herzen

Es ist für mich tröstlich zu sehen, wie der Mann nach Gottes Herzen doch so kläglich versagt hat. Die Erziehung von König David, dem Mann nach Gottes Herzen, ist spannend. Eine ausführliche Analyse des biblischen Befundes. [mehr]

Gottes Erziehung im 4. Buch Mose

Kinder sollen nicht bloß Regeln befolgen, sondern verstehen. Eltern können zwingen. Ohne Einsicht verpufft der Effekt. Gott lässt seine Kinder Erfahrungen machen. [mehr]

Züchtigung und christliche Erziehung

Bibelstellen zur „Züchtigung“ haben zu kontroversen Diskussionen geführt und werden gerade von Skeptikern als Argument gegen biblische Aussagen über Erziehung angeführt. [mehr]

Zentrum und biblische Basis christlicher Erziehung

Im Zentrum unserer Suche nach dem Kern christlicher Erziehung steht die Person Jesus Christus. Wenn Texte herausgegriffen werden ohne den Bezug zu seiner Person, ist diese Erziehung allenfalls biblisch, aber nicht christlich. Die christliche Erziehung deutet immer zentral auf Christus hin.

Die Bibel ist weder ein technisches, noch ein medizinisches Buch. Sie ist auch kein Erziehungsratgeber und enthält wenige direkte Ratschläge. Und doch lässt sich sehr viel daraus für Erziehung lernen. Insgesamt fällt auf, dass Gott anschauliche Beispiele und Vorbilder gegeben hat. Die Bücher heißen nicht „Lehre der Errettung“, „Christologie“ oder „Pneumatologie“. Sie ist nicht systematisch, wie es der moderne Mensch sich wünscht. Stattdessen gibt es die Bücher „Mose“, „Josua“, „Ruth“, „Jeremia“ im Alten Testament. Im Neuen Testament heißen sie „Markus“, „Johannes“, „Petrus“ oder „Jakobus“. Stets geht es um die Geschichte Gottes mit konkreten Menschen.

In der Bibel lernen wir von Menschen, die den Weg mit Gott vor uns gegangen sind. Wir beachten den historischen Kontext, betonen aber nicht die Unterschiede, bis sich jeglicher Anspruch der Texte an uns relativiert, sondern suchen nach Verbindungslinien zu Menschen, die ähnliche Situationen erlebt und Erfahrungen gemacht haben.

Hilfreich ist nicht nur die biblische Basis, sondern auch das Beobachten von Menschen. Aus diesen Erfahrungen gibt es nützliche Erkenntnisse, die in der Pädagogik und Psychologie systematisch reflektiert werden. Sie können für christliche Eltern hilfreich sein. Nicht alles passt für christliche Eltern. Als christlicher Pädagoge versuche ich zu filtern und zu verbinden.