Räume erziehen Kinder

Bedeutung von Räumen in der Bibel

Nichts ist besser, als wenn Kinder von sich aus Fragen stellen. Wenn sie selbst motiviert sind etwas zu verstehen, werden sie viel besser lernen. Darum gibt Gott den Israeliten die Anweisung Räume zu schaffen, die zum Nachdenken und Erkunden anregen.

Wenn dann eure Kinder euch fragen: ›Warum habt ihr diesen Brauch?‹, sollt ihr ihnen antworten.

2. Mose 12,26

Den Kindern wird nicht einfach nur erzählt. Bei Erinnerungsfesten (z. B. Passa) werden Wohnräume mit dekorativen Elementen gestaltet, die zum Nachdenken und Nachfragen über Gottes große Taten Anregen. Natürlich haben die Eltern ihren Kindern von Gott erzählt.

Auch im Alltag gab es viele Erinnerungszeiten. „Bindet sie [Gottes Worte] zur Erinnerung um eure Hand und tragt sie an eurer Stirn, schreibt sie auf die Pfosten eurer Haustüren und auf eure Tore“, steht in 5. Mose 6,8f. Sichtbare Gegenstände, Zeichen und Symbole helfen, über Inhalte nachzudenken.

Es waren aber nicht nur besondere Feste. Der Tempel war stets im Zentrum. Dort haben viele Elemente auf Gottes Herrlichkeit hingedeutet. Andere Rituale regten das Volk zum kritischen Nachdenken über das eigene Verhalten an.

Orte ermöglichen geistliche Erfahrungen oder verhindern sie. Darum geht Jesus in die Wüste oder mit seinen Jüngern auf einen Berg oder mitten in den Sturm. An anderen Orten hätten die Jünger nie diese intensiven Erfahrungen mit ihrem Herrn machen können. Der Raum ist entscheidend.

Raumgestaltung als pädagogische Aufgabe

Räume erziehen – egal ob es sich um das Wohnzimmer oder das Kinderzimmer handelt. In der Pädagogik ist darum auch die Rede vom „Raum als dritten Erzieher“. Die bewusste Raumgestaltung hat einen ebenso hohen Wert, wie die Menschen, mit denen das Kind zu tun hat. Wenn es gut läuft, stellen Kinder Fragen. Der Raum regt dann zum Entdecken an. Darum ist es unsere Aufgabe, diese Räume bewusst zu gestalten. Wir stoßen unsere Kinder dadurch auf Themen, die wir für ihr Leben für wichtig halten.

Wir können dabei drei Arten von Räumen unterscheiden:

  • Ein Raum ist zunächst ein dreidimensionaler Ort. Seine Gestaltung mit materiellen Gegenständen regt an – zum Spielen, Entdecken oder Schlafen.
  • Daneben gibt es noch den sozialen Raum. Mit wem wir uns umgeben, färbt auf uns ab.
  • Schließlich wird in der modernen Welt der mediale Raum immer wichtiger. Zu Medien gehört alles, was Botschaften vermittelt. Das können Kinderbücher, Hörspiele oder Filme sein.

Die Gestaltung des Raums orientierte sich bei uns einerseits an den Interessen unserer Kinder, am Entwicklungsstand und unseren Erziehungszielen andererseits. Ein wesentliches Ziel von uns ist, dass unsere Kinder Jesus kennenlernen.

Raum als dreidimensionaler Ort

Durch die Raumgestaltung werden Impulse gesetzt, die hochmotivierend sein können. Aber es geht nicht einfach nur um gutes Material. Es reicht eben nicht, tolle christliche Kinderbücher und Medien irgendwie zu haben.

Maria Montessori beschäftigt sich damit intensiv aus pädagogischer Perspektive. Anstatt auf Belehrungen, setzt sie auf beine bewusste Raumgestaltung mit mathematischen und sprachanregenden Materialien. Weiter sollen die Sinne geschult werden. Auch in anderen Pädagogischen Konzepten, wie der Reggio-Pädagogik, spielt der Raum eine wesentliche Rolle. Dorther kommt die Bezeichnung des Raums als dritter Erzieher. Egal welches pädagogische Konzept wir betrachten, der Raum wird immer sehr bewusst gestaltet.

Einige hilfreiche Anregungen:

Offene Regale: Als Eltern haben wir in unserer Familie bewusst ausgesuchte Materialien in offenen Regalen im Wohnzimmer präsentiert und regelmäßig ausgetauscht. Die Spielsachen und Beschäftigungsmaterialien mussten für die Kinder einen Aufforderungscharakter besitzen, im Blickfeld und erreichbar sein. Die Kinder können sie unkompliziert holen und wieder aufräumen. Die offenen Regale waren für die erwachsenen Besucher nicht ansprechend, chaotisch – aber es waren schließlich keine Besucherräume, sondern Räume für Kinder.

Regelmäßig austauschen: Es gab also immer Puzzles, die weder zu einfach, noch überfordernd waren. Durch Bücher wurde dem Interesse der Kinder nachgegangen. Das Material wurde weiterhin regelmäßig ausgetauscht. Vieles verschwand im Keller, anderes wurde wieder hausgeholt und auch die Bücher waren nicht alle gleichzeitig verfügbar. Was immer verfügbar war, wurde den Kindern langweilig. Was eine Zeitlang weg war, bekam eine neue Chance. Mal war es Lego oder Playmobil, dann wieder Bauklötze oder flexible Murmelbahnen. Wir entschieden sehr bewusst, welche Interessen der Kinder wir weiter fördern wollten.

Reduktion: Nicht alles was gut ist, passt gerade. Eine Fülle von Material überfordert Kinder. Diese gezielte Reduktion des Materials, hat unseren Kindern geholfen, sich zu fokussieren, ohne von zu vielen Eindrücken überreizt zu werden. Das Spiel wurde konzentrierter und zielgerichtet. Dadurch wurden Materialien auch wieder interessant!

Entdecken lassen: Weiter haben wir die Kinder Materialien entdecken lassen. Wenn wir etwas basteln wollten, stand das Material nach dem Mittagsschlaf auf dem Tisch. Voller Freude haben uns die Kinder erzählt, was sie wieder selbst gefunden hatten. Sie waren stolz darauf und lernten, dass sie die Welt selbst erkunden können. Wir haben sie probieren lassen und sie kamen auf kreative Ideen, die wir nie gehabt hätten. Natürlich haben wir auch gezeigt und gelenkt, aber eben auch mit entdeckt. Selbst Bücher sind plötzlich im Regal aufgetaucht, die wir besorgt hatten. Es ist etwas anderes, ob die Eltern ihnen das Buch mit der festen Erwartung in die Hand drücken, dass das Kind ihnen dankbar ist, oder ob die Kinder es stolz selbst entdecken.

Funktion vor Schönheit: Das Sofa im Wohnzimmer war gebraucht und alt, regte aber zum Springen an. Mehrmals täglich in allen Varianten. Kein Kindersport, bei dem sich die Kleinen quasi auf Kommando einmal in der Woche bewegen sollen, ersetzen das, was sie hier an Bewegungsmöglichkeiten entdeckt haben. An den Decken gab es Haken mit auswechselbaren Schaukeln, Klettertrapezen oder Drehtellern.

Kalkuliertes Risiko: Unsere Kinder haben gelernt, den engen Platz, die Gefahren und ihren Körper einzuschätzen. Die Schaukel mitten im Wohnzimmer? Wer in die falsche Richtung schaukelt, wird sich an den Möbeln wehtun und wer unachtsam vorbeirennt ebenfalls. Interessanter Fakt: Kinder, deren Eltern jegliche Unfallgefahren beseitigen, haben mehr Unfälle. Warum? Weil sie die Gefahren und sich selbst einfach nicht einschätzen können. Entweder werden sie überängstlich oder überschätzen sich komplett. Darum waren bei uns die Treppengitter auch erst an der dritten Stufe angebracht und aus Holz gab es gezielt noch zwei weitere Stufen im Raum. Gefallen sind sie hin und wieder, aber nicht gefährlich.

Feste nutzen: Als Kind hatte unser Tannenbaum drei Dekorationselemente: Rote Kugeln, die Früchte des Sündenfalls symbolisierten. Sterne aus Stroh standen für die Suche nach Christus und schließlich Lichter für das Erscheinen des Messias. Wie wäre es mit einer Osterkrippe aus Holz und einem Osterlamm, statt einem Osterhasen? Die ersten Christen färbten die Eier rot. Es gibt viele Erinnerungsgegenstände, die auch jenseits von Festen an Gott erinnern. Poster, Kalender oder Bibelverse die uns helfen können, an Jesus und seine Hingabe für uns zu denken.

Soziale Erfahrungsräume des Glaubens gestalten

Christliche Eltern arrangieren für ihre Kinder Erziehungsräume des Glaubens. Christliche Eltern gestalten bewusst soziale Räume, in denen sich Glaube entfalten kann. Es geht um Menschen, mit denen unsere Kinder ihr Leben und ihren Glauben teilen und die ihnen Vorbilder werden können – die Tante, der Opa und Freunde, die bewusst als Christen leben.

In unserer Gemeinde gibt es engagierte Kindermitarbeiter. Mit ihnen Zeit zu verbringen macht nicht nur Spaß, sondern sie erzählen von ihrem Glauben und von dem, was Jesus ihnen bedeutet. Dadurch haben sie nicht nur uns als Familie, sondern weitere Modelle, die ihnen als Vorbild dienen können.

Eine Gemeinde als Lebensraum zu entdecken, gibt Kindern einen sozialen Erfahrungsraum des Glaubens. Gibt es andere christliche Familien, mit denen Leben geteilt werden kann? Als unsere Kinder klein waren, kam wöchentlich eine Frau aus unserer Gemeinde zu uns, die selbst keine Kinder hatte. Es ist schön, dass unsere Kinder diese Vertrauenspersonen hatten. Unsere Au-Pairs haben ihren Glauben anders als wir, aber sehr authentisch und engagiert gelebt. Das hat unsere Kinder ebenfalls angeregt.

Bewusste Gestaltung der Medienwelt

In christlichen Medien gibt es zahlreiche Identifikationsfiguren, die Kinder für Jesus begeistern und motivieren können. Auch Biographien sind eine wertvolle Bereicherung für Kinder. Modelle regen an, Gott zu vertrauen und sich auf Erfahrungen mit ihm einzulassen.

Besonders effektiv sind die Modelle, wenn sie selbst einen hohen Status haben, Erfolg und Kompetenz darstellen oder Ähnlichkeiten mit den Beobachtenden aufweisen. Es ist kein Zufall, dass die Helden von Kindern oft ein ähnliches Geschlecht haben und ein wenig älter sind, als die Kinder selbst. Sie besitzen Eigenschaften, die sich unsere Kinder wünschen. Superhelden sind stark und können fliegen, Pipi Langstrumpf hat keine Eltern auf die hören muss, während unsere Kinder aus ihrer Sicht ständig auf uns hören müssen.

Insbesondere auch die Medienwelt stellt darum für christliche Eltern eine Herausforderung dar. „Die 3 vom Ast“ ist eine ältere Hörspielreihe, die aber nicht nur enormen Tiefgang im Glauben vermittelt, sondern auch Wissen über die Prozesse in der Welt. Bücherreihen waren „Emmi“ „Strandspürnasen“, „Ben und Lasse“ oder „Die 4 vom See“ und Familienserien, die wirklich alle unsere Kinder begeistert hatten, waren „Superbook“. Bis heute hören unsere Teens täglich eine Episode von „Adventures in Odyssey„, die über die „Focus-on-the-family„-App verfügbar ist. Natürlich haben wir auch bewusst christliche Bücher und Materialien eingebracht, die teuer und uns etwas Wert waren und nicht auf dem Flohmarkt zu finden waren. Bücher waren mir unendlich viel wert.

Bandura beschäftigt sich in der bis heute stark beachteten sozial-kognitiven Theorie mit den Auswirkungen von Medienmodellen auf Kinder. In dem Bobo-Doll-Experiment konnte er nachweisen, dass sowohl reale, als auch mediale oder animierte Gewaltmodelle Nachahmungen anregen.

Besonderheiten christlicher Jugendliteratur

Nebenbei wird hier das einfache Schwarz-Weiß-Schema in christlichen Büchern oft durchbrochen. Die Verbrecher in christlichen Abenteuerbüchern – etwa den „5 Geschwistern“ sind eben nicht immer nur die Bösen, sondern haben Motive und bereuen ihre Taten oft aufrichtig. Und manchmal müssen sich dort auch die guten, christlich sozialisierten Kinder für Fehler entschuldigen. Das gibt es bei den „???“ oder den „Fünf Freunden“ nicht. Dort sind die Bösen eben böse, die Guten gut und die Lösung ist dann oft noch Gewalt, wenn „Tim“ aus TKKG die Verbrecher zur Strecke bringt. Christliche Bücher sind darum auch aus pädagogischer Sicht oft sehr wertvoll.

Fazit: Räume erziehen mit!

Egal ob es das Kinder- oder Wohnzimmer, der soziale oder mediale Raum ist. Physische Räume erziehen. Kein wöchentlicher Termin beim Kindersport ersetzt diese Möglichkeit, im Alltag Erfahrungen zu machen. Kinder sind spontan, gehen gerne Interessen nach und Lernen situativ. Lernchancen bleiben ungenutzt, wenn sie nicht im richtigen Moment genutzt werden. Auf Knopfdruck werden sich jedenfalls weder die Kreativität, noch Motorik oder Sprache entwickeln. Wer auf die wöchentlichen Termine zwischen 15 und 16 Uhr hofft wird enttäuscht. Sie werden nicht wettmachen, was durch die Raumgestaltung möglich ist.

Auch soziale und mediale Räume erziehen. Zentral sind nicht Medien, sondern echte Beziehungen: Begegnungen von Mensch-zu-Mensch. Der sporadische Besuch von christlichen Veranstaltungen ist ein nettes Extra, aber kein sozialer Raum. Wo finden sich also Gemeinden, in denen es engagierte Mitarbeiter gibt, die Jesus von ganzem Herzen lieben und ihren Glauben an unsere Kinder weitergeben wollen? Wo gibt es regelmäßige Angebote, die mindestens wöchentlich stattfinden? Kinder brauchen Erfahrungsräume des Glaubens. Später brauchen Kinder immer stärker Gleichaltrige. Da gilt es, mit Jesus unterwegs zu sein, in Bewegung zu bleiben, mit den Kindern diese Räume zu finden. Wir sind es unseren Kindern schuldig, ihnen ein Umfeld zu geben, in dem ihr Glaube sich entwickeln kann. Und natürlich sind wir bereit, dieses Umfeld mit unseren Kräften mitzugestalten.